Bruno Facci möchte sich am Treffen mit dem Nationalrat für psychisch Kranke einsetzen. Er erklärt, warum auch dies eine Behinderung sein kann – und wo es Nachholbedarf gibt.
Am 24. März findet im Bundeshaus die erste Behindertensession statt. Nationalratspräsident Martin Candinas lädt 44 Menschen mit Behinderung ins Bundeshaus ein. Die Zahl steht symbolisch für den Anteil beeinträchtigter Menschen an der Schweizer Bevölkerung. Dieser beträgt rund 22 Prozent – damit würden anteilig 44 von 200 Sitzen von Menschen mit Behinderung besetzt.
Mit dabei ist Bruno Facci, Vorsitzender der Vereinigung von Angehörigen psychisch Kranker (VASK), langjähriger Pfleger in der psychiatrischen Klinik Wil. Auf der Agenda des Ganterschwilers stehen einige Punkte, die sonst wenig Gehör finden. Er sei bereits freudig gespannt auf den Besuch im Bundeshaus, sagt der 70-Jährige. «Einerseits habe ich gewisse Erwartungen, anhand der Rückmeldungen spüre ich aber auch, dass die Menschen Erwartungen an mich haben.»
Auch wenn zwei Monate vor der ersten Behindertensession noch vieles im Ungewissen liegt, lobt Facci: «Ich finde es eine grossartige Idee von Martin Candinas, ein solches Treffen aufzunehmen.»
Gemäss der Definition im Behindertengleichstellungsgesetz gilt Facci wohl nicht als behindert: Er gehört nicht zu den «Personen, die ein dauerhaftes Gesundheitsproblem haben und die bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens eingeschränkt sind». Doch Facci durchlebte eine Depression, war mehrere Monate arbeitsunfähig und längere Zeit in ambulanter Behandlung.
Zudem ist er im familiären wie auch im ehemaligen beruflichen Umfeld mit dem Thema psychischer Erkrankungen konfrontiert. Entsprechend hatte Pro Infirmis nichts gegen seine Wahl einzuwenden, sagt Facci: «Ich bin der einzige Anwesende mit dem Hintergrund einer psychischen Krankheit.»
Dauerhafte Einschränkungen des Alltagslebens können auch von psychischen Erkrankungen verursacht werden, hält Facci fest, umso wichtiger sei es, dass psychisch Kranke vertreten seien. Beispielsweise beziehen viele Schizophrene, die Zeit ihres Lebens unter der Erkrankung leiden, eine Invalidenrente. «Gesund und krank, behindert und nicht behindert – das ist nicht schwarz und weiss. Dazwischen gibt es ein Kontinuum.»
Menschen, die aufgrund psychischer Krankheiten im Alltagsleben eingeschränkt sind, hätten gar einen besonders schweren Stand, betont Facci. Erstens sehe man ihnen die Behinderung nicht an, wie auch Menschen mit anderen geistigen Behinderungen, beispielsweise Menschen mit Hirntraumata.
Zweitens: «Noch immer werden psychisch Kranke stigmatisiert», betont Facci. «Wir leben in einer Gesellschaft, die sich über Arbeit definiert.» Wer ohne augenscheinlichen Grund arbeitsunfähig ist, dem werde wenig Verständnis entgegengebracht. «Darunter finden sich viele psychisch Kranke.» Die Folge ist eine tiefe Verunsicherung der Betroffenen.
Umso wichtiger ist es für Facci, in Bern für Menschen mit psychischen Erkrankungen lobbyieren zu können:
«Tatsache ist, dass psychisch Kranke, ob behindert oder nicht, keine Lobby haben.»
Starke Verbände, die die Anliegen jener mit körperlichen Behinderungen haben, fehlen den psychisch Kranken mit Ausnahme von Pro Mente Sana. Insbesondere gibt es keinen Verband, in dem sich Betroffene selbst organisieren. «Wir haben eine 20-Prozent-Stelle im Sekretariat, der Rest unserer Arbeit ist ehrenamtlich», führt Facci die bescheidenen Ressourcen der VASK aus.
Die Schweiz hätte noch viel Potenzial für einen besseren Umgang mit psychisch Kranken, sagt Facci. Seine Vision ist, diese Themen in die Politik einzubringen. «Psychisch Kranke werden noch immer in den grossen Institutionen isoliert, die es seit über hundert Jahren gibt.» Viel besser wäre es, die Betroffenen nicht auszugrenzen, sondern innerhalb ihres Umfelds zu behandeln, damit sie dort lernen können, mit ihrer Einschränkung zu leben.
Damit könnten psychisch Kranke in Zukunft besser in die Gesellschaft integriert werden und die noch immer bestehenden Stigmata abgebaut werden, ist Facci überzeugt.