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Sonne wie am Mittelmeer: 2022 war das wärmste und sonnigste Jahr seit Messbeginn 1882

Die insbesondere seit der Jahrhundertwende eingetretene starke Erwärmung hat, nach einer Stagnation im Jahre 2021, im vergangenen Jahr erneut massiv zugelegt. Es ist mit grossem Abstand das wärmste und sonnigste Jahr seit Messbeginn vor 140 Jahren geworden. Ausserdem machte der sehr trockene Sommer der Vegetation arg zu schaffen.

Christoph Frauenfelder
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Der Hitzesommer freute die Sonnenhungrigen, machte der Vegetation aber sichtlich und spürbar zu schaffen.

Der Hitzesommer freute die Sonnenhungrigen, machte der Vegetation aber sichtlich und spürbar zu schaffen.

Symbolbild: Stefan Kaiser (Luzerner Zeitung)

Kein Monat des vergangenen Jahres war zu kalt. Bereits seit Dezember 2021 herrschen lückenlos zu warme Monate. Diesmal beträgt das Jahresmittel 11.6 Grad. Damit liegt es volle zwei Grad über der Norm (Mittelwert 1991-2020). Der zweitletzte Rekord datiert aus dem Jahre 2020 mit 11.1 Grad. Der drittletzte Rekord konnte im Jahre 2018 mit 10.9 Grad verbucht werden. Diese drei Rekorde sind damit innerhalb von nur fünf Jahren verzeichnet worden, was die rasante Erwärmung in den letzten Jahren verdeutlicht. Auch über einen längeren Zeitraum betrachtet steigt die Fieberkurve der Erde unaufhaltsam. Der zunächst unscheinbare Anstieg ist in den Achzigerjahren zu finden.

Grosse Dürre im Sommer

Nur wenige Monate verliefen zu nass. Zur enormen Wärme gesellten sich teils sehr trockene Monate. Allen voran der März und die Sommermonate. In einer Zeit, da die Vegetation sehr stark auf genügend Wasser angewiesen ist, dorrten die Böden beinahe ganz aus. Denn im Juli wurde an einigen Tagen eine Bodenfeuchte von lediglich 25 Prozent der nutzbaren Kapazität gemessen. Wenn bei dieser Trockenheit nicht mit künstlicher Bewässerung interveniert wird, gehe empfindliche Kulturen zu Grunde. Im August wurde die Dürre durch heftige Gewitterniederschläge abrupt beendet. Die Natur konnte aufatmen. Die Erholung benötigte aber noch mehrere Wochen. Insbesondere sind die Grundwasserreservoir derzeit immer noch defizitär und benötigen weitere Niederschläge.

Sonne wie am Mittelmeer

Die vielen Hochdruckwetterlagen bewirkten eine sehr geringe Bewölkung. Damit konnte die Sonne mit Leichtigkeit eine Rekordsumme erwirtschaften. Ausser im September und Dezember brachten alle übrigen zehn Monate einen teils beachtlichen Überschuss an sonnigen Stunden, allen voran die Monate Januar bis März.

Daraus resultierte Ende Jahr der bis anhin noch nie registrierte Wert von 1943 Sonnenstunden. Der zweitletzte Rekord datiert aus dem Jahre 2003 mit 1916 Stunden. Der drittletzte Rekord wurde mit 1836 Stunden im Jahre 2011 verzeichnet.

Die Temperaturschwelle von 35 Grad (Wüstentag) wurde im vergangenen Jahr zweimal überschritten. Damit scheint sich das Mittelmeerklima seit der Jahrhundertwende unaufhaltsam weiter nach Norden auszudehnen.

Zunehmend wärmer, trockener und sonniger

Wagen wir einen Ausblick auf das Jahr 2022. Natürlich ist eine Prognose auf diesen Zeitraum hinaus unmöglich. Das Klimamittel (1991-2020) zeigt aber, dass das Jahr im Fürstenland, sowie im unteren und mittleren Toggenburg einen Temperaturumfang von -11 bis 33 Grad aufweist, die Extremwerte seit Messbeginn vor 140 Jahren bewegten sich bisher zwischen -24 und 36 Grad. In den letzten zehn Jahren sind die Jahrestemperaturen um 0.6 Grad gestiegen. Diese Tendenz wird sich weiter halten, auch wenn einmal ein Jahr zwischendurch normal- oder untertemperiert ist. Die Hitzetage (über 30 Grad) haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Der Beginn der Erwärmung wurde in den Achzigerjahren beobachtet.

Die Jahresniederschläge liegen bei 120 Zentimeter, Tendenz massiv abnehmend. Die Extremwerte bewegen sich zwischen 70 und 190 Zentimeter. Die Sonne scheint durchschnittlich 1600 Stunden. Hier erstreckt sich der bisher gemessene Umfang von 1100 bis 1950 Stunden. Heute sind es jährlich 60 Stunden mehr, als noch vor zehn Jahren.

Die Wetterwiederholungen im Jahresverlauf

Aus der Wetterbuchhaltung lassen sich im Jahresverlauf (30-jähriges Mittel) einige recht zuverlässige Wetterwiederholungen herauslesen. Sie nennen sich Wettersingularitäten und treten in drei Jahren mindestens zweimal auf. Dabei sind die Intensitäten nicht immer gleich gross oder es zeigen sich auch Verschiebungen von einigen Tagen.

Der Januar ist der Hochwintermonat mit den tiefsten Jahrestemperaturen. Diese Kälte geht nicht selten in einen markigen und schneereichen Nachwinter im Februar über. Im März findet eine kraftvolle Erwärmung statt, die Vegetation erwacht. Der April macht, was er will. Die «Eisheiligen» Mitte Mai, die im Volksglauben wohl am stärksten verwurzelte Wetterregel, sind äusserst unzuverlässig geworden. Oft treten sie gar nicht mehr auf. Dafür ist im Juni immer mehr Verlass auf die «Schafskälte», feuchtkühle Meeresluft strömt vom Atlantik her in den Kontinent ein, wird hier in der ersten Sommerhitze angehoben und regnet aus.

Ende Juli und Anfang August haben wir die heisseste Zeit des Jahres, die «Hundstage». Im September beglückt uns der «Altweibersommer» mit einer stabilen und milden Schönwetterlage, welche nicht selten in den «Goldenen Oktober» hinübergreift. Danach geht es rasant abwärts mit den Temperaturen. Das «Martinisömmerchen» (St. Martin 11. November) bringt uns die letzte ruhige Schönwetterlage vor dem Winter. Das «Weihnachtstauwetter» sorgt um die Weihnachtszeit für sehr milde Temperaturen.