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Die Kirchen griffen stark in den Kampf für die Konzerninitative ein und polarisierten damit. Jungfreisinnige reichten beim Bundesgericht Beschwerde ein. Das oberste Gericht will sich aber vor einem Entscheid drücken.
Nie in den letzten Jahrzehnten haben katholische und reformierte Landeskirchen die Schweiz so stark aufgewühlt und gespalten wie im Abstimmungskampf zur Konzerninitiative.
Sie traten mit eigenem Komitee («Kirche für Konzernverantwortung») auf. Sie beflaggten Kirchtürme und Verwaltungsgebäude mit 12 Quadratmeter grossen Bannern. Und sie teilten – so empfanden es viele – Befürworter und Gegner in gute und schlechte Christen ein.
Jungfreisinnige, die das Engagement der Landeskirchen als verfassungswidrig erachteten, haben Stimmrechtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Das höchste Gericht lehnte vor der Abstimmung vorsorgliche Massnahmen ab.
Es schien sich aber nach der Abstimmung ernsthaft mit der Rolle der Kirchen auseinandersetzen zu wollen. Hunderte von Kirchen und Spezialisten gaben ihre Stellungnahme ab.
Recherchen zeigen aber, dass das höchste Schweizer Gericht plötzlich einen Rückzieher machen und die Beschwerde abschreiben will. Das Nein des Volkes entspreche dem Nein der Beschwerdeführer, damit werde die Beschwerde hinfällig, so die Argumentationslinie.
Mit Verlaub: Das ist unverständlich. Geht es um die Rolle der öffentlich-rechtlichen Kirchen im Abstimmungskampf zur Konzerninitiative, kann sich das Bundesgericht nicht hinter formaljuristischen Spitzfindigkeiten verstecken.
Die Schweiz braucht ein Leiturteil zur Rolle der Kirche in Abstimmungen: Was dürfen sie, was dürfen sie nicht? Es gibt ein überwältigendes öffentliches Interesse an einer Antwort auf diese juristisch seit Jahrzehnten umstrittene Frage. Dass das Bundesgericht in dieser Frage möglicherweise selbst gespalten ist, darf dafür kein Hinderungsgrund sein.