Von A bis Z
Angelina Jolie war da, Bill Clinton sowieso, nur der Papst noch nie: Das müssen Sie nach 50 Jahren WEF wissen

Morgen beginnt das 50. Weltwirtschaftsforum mit Auftritten von Bundespräsidentin Sommaruga, US-Präsident Trump und Klimaaktivistin Greta Thunberg. Ein kleiner WEF-Führer von A bis Z.

Patrik Müller
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Angelina Jolie mit Brad Pitt 2006 in Davos: Kurz vor der Finanzkrise wurde das WEF auch zum Promi- und Party-Anlass.

Angelina Jolie mit Brad Pitt 2006 in Davos: Kurz vor der Finanzkrise wurde das WEF auch zum Promi- und Party-Anlass.

HO

A wie Armee

Ist mit 5000 Soldaten für die Sicherheit am Weltwirtschaftsforum (WEF) verantwortlich, zusammen mit knapp 1000 Polizisten aus den Kantonen und Städten. Seit Aufkommen des islamistischen → Terrors nach dem 11. September 2001 haben die Sicherheitskosten stark zugenommen. Allein der Bund verbucht 32 Millionen Franken pro Jahr, für die Überwachung des Luftraumes, Transportflüge für Staatschefs oder die Bewachung von Objekten. Das WEF selber zahlt dafür gut 2 Millionen Franken.

B wie Bundespräsident(in)

Eröffnet traditionsgemäss den Kongress in Davos, dieses Jahr Simonetta Sommaruga. Meistens spricht er oder sie auf Englisch, was bisweilen zum Fremdschämen ist. Ausländische Staatschefs reden hingegen fast immer in ihrer Muttersprache. Ausnahme: Emmanuel Macron. Angela Merkel oder Vladimir Putin käme es nie in den Sinn, eine Rede auf Englisch zu halten, obwohl sie es könnten.

C wie Cologny

Vorortsgemeinde von Genf. Hier befindet sich, direkt am See, der Hauptsitz des WEF. 800 Angestellte aus allen Kontinenten arbeiten hier: Sie forschen, stellen das Programm von Davos zusammen und vernetzen die WEF-Mitgliedsfirmen und ihre Verantwortlichen.

Am WEF-Sitz in Cologny arbeiten 800 Mitarbeiter.

Am WEF-Sitz in Cologny arbeiten 800 Mitarbeiter.

WEF

D wie «Davos Man»

Begriff für den globalisierten Managertyp. Einst ein Kompliment, inzwischen eher pejorativ: Der «Davos Man» gilt als abgehoben, heimatlos, profitorientiert. Feindbild linker und rechter Populisten und der → Fuck-WEF-Bewegung.

E wie Einnahmen

Die rund 1000 Unternehmen, die Mitglied des WEF sind, finanzieren die Organisation. Jedes dieser Unternehmen zahlt eine Mitgliedsgebühr von 42 500 Franken pro Jahr, dazu eine Gebühr von 18000 Franken für die Teilnahme seines Chefs. Sogenannte «strategische Partnerfirmen» des WEF zahlen bis zu 500 000 Franken pro Jahr. Das WEF verfügt über Eigenmittel von über 300 Millionen Franken.

F wie «Fuck WEF»

Oder auch «Wipe out WEF» («WEF ausradieren»): Kampfparolen der militanten WEF-Gegner. Der massive und zum Teil gewalttätige Protest kam Ende der 1990er-Jahre auf, im Zuge der Anti-Globalisierungsbewegung. Im Jahr 2000 kulminierten sie in Davos; Schaufenster wurden zertrümmert. Auch in Zürich, Basel und Bern kam es wiederholt zu Ausschreitungen. Später wurden die Kundgebungen kleiner und friedlicher. Dieses Jahr könnten sie erstmals wieder anwachsen.

G wie Geheimdienste

Wo sich die Mächtigen der Welt versammeln, tummeln sich auch Spione. Oder glaubt jemand, Putin sei damals ohne Agenten angereist? Im Fall der → US-Präsidenten ist es quasi offiziell: Ihr Secret Service reist mit «Hundertschaften» an, wie ein WEF-Insider schätzt. Die Personenschützer dürfen nur kleine Pistolen auf sich tragen, und für diese brauchen sie eine Bewilligung des Bundes. Langwaffen sind verboten. Ob sich die Amerikaner an die Schweizer Regeln halten? Das lässt sich nicht überprüfen.

H wie Hilde Schwab

Gemeinsam mit WEF-Gründer → Klaus Schwab die zentrale Figur der Organisation. Er stellte sie als Sekretärin ein, sie verliebten sich und heirateten. Seit 1973 arbeitet sie unentgeltlich für das WEF. «Wir sind ein Tandem, das sich sehr gut ergänzt. Ich bin Wissenschafter, der gerne Konzepte entwickelt. Sie ist praktisch veranlagt und das soziale Gewissen», sagte Klaus Schwab kürzlich im «SonntagsBlick». Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Sohn Oliver ist Managing-Director beim WEF. Pikanterweise nimmt er diese Woche an einem Podium teil mit dem Titel: «Familienunternehmen: Ein Auslauf- oder Zukunftsmodell?»

1970er-Jahre: Hilde und Klaus Schwab starten das WEF. Hochzeitsbild: HO (Davos, 1971)

1970er-Jahre: Hilde und Klaus Schwab starten das WEF. Hochzeitsbild: HO (Davos, 1971)

CH Media

I wie Israel

Traditionell mit Spitzenpolitikern in Davos vertreten, oft mit dem Staatspräsidenten. Es gab mehrere Treffen zum Nahost-Konflikt, die Geschichte schrieben. Und einen historischen Tiefpunkt: 2001 hielt Palästinenserführer Jasser Arafat eine Hassrede, statt wie vorgesehen gemeinsam mit Israels Präsident Shimon Peres einen Durchbruch der Friedensverhandlungen zu verkünden. Peres sagte darauf: «Ich habe gehofft, an eine Hochzeit zu kommen, und ich sehe, dass ich an einer Scheidung teilnehme.» Für Klaus Schwab war es die grösste Enttäuschung der 50-jährigen Forum-Geschichte.

J wie Jolie, Angelina

Die Hollywood-Schauspielerin dominierte 2006 die WEF-Schlagzeilen gemeinsam mit ihrem damaligen Freund Brad Pitt («Brangelina»). Die Boulevardpresse berichtete, Jolie habe in der Nacht im Luxushotel «Belvédère» mit Ex-Präsident Bill Clinton geflirtet. Jolie stand für eine Entwicklung des WEF in den 2000er-Jahren, die mit der Finanzkrise 2008 abrupt endete: Davos wurde mehr und mehr zum Stelldichein der globalen Showszene. Auch Sharon Stone, Richard Gere, Sänger Bono und weitere Celebrities nahmen am Forum teil, oder zumindest an den Partys.

K wie Klaus Schwab

Gründer des WEF. Geboren am 30. März 1938 in Ravensburg (D) als Sohn eines Fabrikdirektors. Er studierte u. a. Maschinenbau an der ETH Zürich und erwarb insgesamt fünf akademische Titel. 1971 führte er zusammen mit seiner Frau → Hilde Schwab das erste Wirtschaftsforum durch, das sich zum Ziel gesetzt hat, «den Zustand der Welt zu verbessern». Es wuchs stetig und erreicht seit Ende der 1980er-Jahre regelmässig globale Beachtung. Bis 2002 war Schwab nebenamtlich Professor für Unternehmenspolitik an der Universität Genf.

L wie Luxushotels

Die begehrtesten Häuser sind während des WEF das Traditionshotel «Belvédère» (Bill Clintons Favorit), der «Seehof» (beliebt bei Arabern und Indern) und das «Intercontinental», auch «goldenes Ei» genannt, wo Neureiche und US-Präsident Trump logieren. Während des WEF platzen diese Fünfsternhotels aus allen Nähten, viele Monate im Jahr stehen sie aber weitgehend leer.

Das mit Schweizerkreuzen beleuchtete Hote Belvedere in Davos während des WEF 2003.

Das mit Schweizerkreuzen beleuchtete Hote Belvedere in Davos während des WEF 2003.

Keystone

M wie Medien

Rund 1000 Journalisten aus aller Welt nehmen kostenlos am Anlass teil. Sie berichten darüber, was die 2500 übrigen Teilnehmer sagen und tun: Wirtschaftsführer, Staatschefs und wichtige Persönlichkeiten aus Kultur, Religion und Sport. Das WEF ist inzwischen auch selber ein Medienunternehmen und vor allem in den sozialen Netzwerken aktiv: Auf Twitter hat es 3,6 Millionen Follower, neuerdings bewirtschaftet es auch → Youtube.

N wie Nelson Mandela

Wenn Jasser Arafats Hassrede als historischer Tiefpunkt des WEF gilt (→ Israel), dann war der Auftritt von Südafrikas Freiheitsheld 1992 der Höhepunkt. So zumindest wertet es Klaus Schwab. Mandelas Davos-Aufenthalt hinterliess Spuren bei ihm: Später, als Präsident Südafrikas, sagte er, am WEF habe er realisiert, dass die Marktwirtschaft die richtige Wirtschaftsordnung für Südafrika sei.

Nelson Mandel in Davos am WEF 1992.

Nelson Mandel in Davos am WEF 1992.

Keystone

O wie Open Forum

Für die Öffentlichkeit zugängliche Veranstaltungen in der Davoser Mittelschule. Sie sind eine Reaktion auf den Vorwurf, das WEF sei eine geschlossene Gesellschaft. Während das Kongresszentrum, in dem die meisten Veranstaltungen stattfinden, tatsächlich hermetisch abgeriegelt ist, kann die Bevölkerung am Open Forum Wirtschaftsführer und Spitzenpolitiker hautnah erleben.

P wie Papst

Zwei → US-Präsidenten waren schon in Davos, dazu chinesische und russische Staatsoberhäupter. Aber noch nie ein Papst! Klaus Schwab lud den Vatikan wiederholt ein. Aber bislang blieb es bei schriftlichen Botschaften an die WEF-Teilnehmer. 2015 schrieb der Papst: «Wir dürfen niemals zulassen, dass die Kultur des Wohlstands uns betäubt und uns unfähig macht, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen.»

Q wie Quantentechnologien

Zu diesem Thema führt das WEF dieses Jahr nicht weniger als fünf Veranstaltungen durch, an denen sich die Teilnehmer weiterbilden können auf diesem neuen Gebiet, das unter anderem superschnelle Computer ermöglicht. Ein Beispiel dafür, wie das Forum aktuelle Themen und Trends zu setzen versucht.

R wie Rebellen

Klaus Schwab hat eine Schwäche für Greta Thunberg, Greenpeace-Chefs, afrikanische Bischöfe und sonstige Querdenker. Er lud einst die Vorkämpfer des wachstumskritischen «Club of Rome» ein – zum Ärger vieler Wirtschaftsführer. Die Einbindung von Rebellen ist auch ein geschickter PR-Schachzug: Sie nimmt der Anti-WEF-Bewegung den Wind aus den Segeln.

S wie Sexgewerbe

Prostituierte aus ganz Europa würden während des WEF nach Davos reisen, um hier die nächtlichen Bedürfnisse mancher Teilnehmer und ihrer Entourage zu befriedigen, schrieb der «Blick». Das WEF habe bei Sex-Arbeiterinnen einen guten Ruf. Die Kundschaft sei angenehm und respektvoll.

T wie Terror

Die Anschläge von 9/11 in New York hatten auch Folgen für das WEF. Aus Solidarität verlegte Schwab den Kongress im Jahr 2002 einmalig nach New York. Ab 2003 fand er wieder in Davos statt, unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen (→ Armee). In Davos selbst wurde zum Glück noch nie ein Anschlag verübt.

Klaus Schwab (l.) und der Schweizeri Ausserminister Joseph Deiss während Kofi Annans Rede am WEF in New York 2002.

Klaus Schwab (l.) und der Schweizeri Ausserminister Joseph Deiss während Kofi Annans Rede am WEF in New York 2002.

Keystone

U wie US-Präsidenten

Bill Clinton war im Januar 2000, kurz vor seiner Amtsübergabe an George W. Bush, der erste amtierende US-Präsident in Davos. Seither kam er als Ex-Präsident immer mal wieder ans WEF, auch schon zusammen mit Ehefrau Hillary und Tochter Chelsea. Clinton gilt als Davos-Fan, er mag auch die nächtlichen Partys. Legendär ist seine Rückreise als Präsident im Januar 2000 von Davos nach Zürich-Kloten: Wegen Schneetreibens konnte sein Helikopter nicht starten, und so fuhr er in der Limousine zum Flughafen. Unterwegs bekam er Hunger – und so liess Clinton den Chauffeur bei der Raststätte Glarnerland anhalten, zum Schrecken seiner Bodyguards. Er stieg aus und bestellte höchstselbst ein Stück Pizza (mit Salami), plauderte mit Gästen und ging aufs Raststätten-WC. Dieses Jahr ist Clintons Name nicht auf der Teilnehmerliste. Womöglich wegen seines Nach-Nach-Nachfolgers Donald Trump, der nach 2018 zum zweiten Mal am WEF auftreten soll.

Bill Clinton und Adolf Ogi.

Bill Clinton und Adolf Ogi.

Keystone

V wie VIP

Eigentlich jeder am WEF. Glaubt er zumindest. Doch die Warteschlangen vor Garderoben und Sicherheitsschleusen haben etwas Sozialistisches: Für manch einen VIP ist die Davos-Woche wohl die einzige im Jahr, in der er Dichtestress und Dränglerei fühlt wie der gewöhnliche Pöbel.

W wie Wucher

Ein Hot-Dog für 38 Franken, ein Tomatensüppchen für 22 Franken, eine 2-Zimmer-Wohnung für 3000 Franken die Nacht, ein Parkplatz für 1200 Franken die Woche: Das ist Davos während des WEF. Die Tourismusverantwortlichen und das WEF selbst kämpfen erfolglos gegen den imageschädlichen Wucher.

X wie Xi Jinping

Chinas Präsident kam 2017 ans WEF und setzte kurz vor Donald Trumps Inauguration in den USA einen Kontrapunkt: Ausgerechnet der Ober-Kommunist gab sich als Verfechter von Freihandel und Klimaschutz. Das WEF erkannte früher als die meisten Unternehmen, welche gewaltige Rolle China künftig spielen würde. Schon 1979, drei Jahre nach dem Tod von Mao Zedong, reiste eine Delegation aus China nach Davos. Seither ist China Jahr für Jahr ein Top-Thema am Kongress.

Y wie Youtuber

Um auch junge Menschen zu erreichen, hat das WEF dieses Jahr eine Gruppe von Youtube-Influencern nach Davos eingeladen. Sie sollen Videos vom Kongress in die Welt hinausschicken und «eine frische Perspektive» auf die Veranstaltung ermöglichen (→ Medien).

Z wie Zukunft

Es ist die Frage, die am WEF seit Jahren diskutiert wird: Wie lange bleibt → Klaus Schwab noch Präsident? Und was geschieht danach? Bald wird er 82. Ans Abtreten denkt er nicht. Am liebsten würde er 120 Jahre alt werden, sagte er einmal in dieser Zeitung: «Aber ich zähle nicht darauf, dass es klappt. Wahrscheinlich bin ich 5 bis 10 Jahre zu spät dran, um in den Genuss dieser Technologien zu kommen. Tant pis.»