Romandie
Die Bürgerlichen raufen sich für die Wahlen im Kanton Waadt zusammen – warum die Linken trotzdem gelassen bleiben

Um die linke Regierungsmehrheit zu beenden, treten SVP, FDP und Mitte im drittgrössten Schweizer Kanton geeint zu den Wahlen an. Ihr Optimismus beruht auf einem Sieg des rechten Lagers im Nachbarkanton. Doch es gibt deutliche Unterschiede.

Julian Spörri, Lausanne
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Sie treten für die Wahlen am 20. März in einer Allianz an: Die bürgerlichen Parteivertreter im Kanton Waadt.

Sie treten für die Wahlen am 20. März in einer Allianz an: Die bürgerlichen Parteivertreter im Kanton Waadt.

Bild: Jean-Christophe Bott / Keystone

Die bevorstehenden Wahlen im Kanton Waadt werden zum grossen Kräftemessen zwischen zwei Allianzen. Sowohl die SP und die Grünen auf der einen Seite als auch das bürgerliche Lager aus Mitte, FDP und SVP auf der anderen treten zum Urnengang am 20. März als Block an. Gewählt werden die sieben Mitglieder des Staatsrates sowie das 150-köpfige Parlament.

Spannend ist die Ausgangslage, weil im einwohnermässig drittgrössten Kanton der Schweiz seit zehn Jahren eine linke Mehrheit in der Regierung mit einem bürgerlichen Parlament regiert. Beide Seiten wollen diesen Zustand nun ändern. Während man im linken Lager davon träumt, im Parlament die Mehrheit zu erobern, wollen die rechten Parteien das Machtgefüge im Staatsrat ändern. Dieser setzt sich aktuell aus je drei Mitgliedern der SP und der FDP und einer Grünen-Politikerin zusammen.

Sitzverteilung im Kantonsparlament

150 Sitze
Ensemble à gauche / POP
6
Sitze
Grüne
22
Sitze
SP
35
Sitze
Grünliberale
9
Sitze
Groupe Les Libres
4
Sitze
FDP
49
Sitze
SVP
25
Sitze

Die rechten Parteien haben sich für den ersten Wahlgang mit einem Fünferticket, bestehend aus Isabelle Moret, Christelle Luisier, Frédéric Borloz (alle FDP), Michaël Buffat (SVP) und Valérie Dittli (Mitte), aufgestellt. Es handelt sich um die erste grosse bürgerliche Allianz seit dem Jahr 2002. Mit ein Grund für deren Zustandekommen dürften die Wahlen im Kanton Freiburg im letzten Jahr gewesen sein. Dort spannten die drei bürgerlichen Parteien nach ihren Alleingängen im ersten Wahlgang in der zweiten Runde zusammen und konnten so ihre Mehrheit im Staatsrat verteidigen. Der Erfolg in Freiburg sei zwar nicht alleine der Auslöser für den Schulterschluss gewesen, sagte FDP-Staatsrätin Christelle Luisier anlässlich der Vorstellung der bürgerlichen Allianz Anfang Jahr. Doch die Wahlen hätten klar gezeigt, dass «wir gewinnen können, wenn wir unsere Kräfte bündeln».

Warum sich die rechten Parteien erst jetzt verbünden

Auch Kevin Grangier, Präsident der Waadtländer SVP, bezeichnet den Kanton Freiburg als ein «gutes Beispiel» für die bürgerliche Zusammenarbeit. «Auf der linken Seite gibt es schon länger die Kultur, dass Allianzen bei den Wahlen Erfolg bringen», führt Grangier aus.

«Diesbezüglich war die Rechte im Kanton Waadt lange im Rückstand.»

Dass für die anstehenden Wahlen nun eine breite Allianz zu Stande gekommen sei, schreibt der SVP-Präsident mitunter dem Verhalten der Linken zu: «Derzeit ist eine neue Generation am Werk, die nicht mehr zu Kompromissen bereit ist, wie dies bis vor einigen Jahren noch der Fall war. Das hat die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit im rechten Lager verstärkt.»

Die SVP erhebt als derzeit drittstärkste Kraft im Parlament klar den Anspruch, künftig in der Regierung vertreten zu sein. Im Visier dürfte die Partei vor allem den Sitz der Grünen haben. Denn deren Kandidat kann im Gegensatz zu den drei SP-Staatsrätinnen Nuria Gorrite, Cesla Amarelle und Rebecca Ruis, die sich erneut zur Wahl stellen, nicht auf den Bisherigen-Bonus zählen. Vassilis Venizelos gibt sich dennoch zuversichtlich, dass er den Sitz der Grünen verteidigen wird. «Ich kann mich auf eine starke Allianz im linken Lager verlassen», erklärt er. Die Grünen und die SP hätten während ihrer zehn Jahre dauernden Mehrheit im Staatsrat gezeigt, dass ihre Partnerschaft gefestigt sei, betont Venizelos. Damit spricht er einen gewichtigen Unterschied zur Situation im Kanton Freiburg an, wo die Linke in der Rolle der Herausforderin war.

Die Waadtländer Regierung bei einer Medienkonferenz im Februar. Vier linke Politikerinnen bilden im Gremium derzeit die Mehrheit.

Die Waadtländer Regierung bei einer Medienkonferenz im Februar. Vier linke Politikerinnen bilden im Gremium derzeit die Mehrheit.

Bild: Jean-Christophe Bott / Keystone

Die Mitte ist in der Waadt kein Faktor

Bei der SP sieht man noch weitere Differenzen zum Nachbarkanton. «Die bürgerliche Allianz ist in der Waadt weniger stark als in Freiburg, weil die Mitte hier praktisch kein Gewicht hat», sagt die kantonale Parteipräsidentin Jessica Jaccoud. Tatsächlich besitzt die ehemalige CVP aktuell keinen einzigen Abgeordneten mehr im Kantonsparlament.

SVP-Nationalrat Michaël Buffat.

SVP-Nationalrat Michaël Buffat.

Bild: Ralph Ribi

Die geringe Bedeutung der Mitte-Partei hat zur Folge, dass nur die SVP in der Lage sein dürfte, einen vierten Regierungssitz für das bürgerliche Lager zu holen. Entscheidend wird also sein, wie deren Kandidat Michaël Buffat bei der Stimmbevölkerung ankommt. Laut einem Rating des Forschungsinstituts Sotomo aus dem Jahr 2020 ist der amtierende SVP-Nationalrat der rechteste Parlamentarier der Westschweiz in Bundesbern. SP-Präsidentin Jaccoud bezeichnet ihn als «spaltende Persönlichkeit» und glaubt nicht, dass er mit seiner beruflichen Tätigkeit im Bankwesen bei der ländlichen Stimmbevölkerung Erfolg haben wird.

Darauf angesprochen verurteilt SVP-Präsident Kevin Grangier die Schubladisierung seines Kandidaten. Er hält fest:

«Dass Michaël Buffat eine klare politische Haltung vertritt, bedeutet nicht, dass er nicht auch zu Kompromissen bereit ist. Unser Kandidat verkörpert zudem verschiedene Bevölkerungsgruppen, weil er auf dem Land aufgewachsen ist, dort lebt und gleichzeitig in der Stadt arbeitet.»