Steuern
Das schwierige Milliardengeschenk: OECD-Steuerreform spült viel Geld in die Kantonskassen – doch es gibt ein Problem

Grosse Konzerne müssen ab 2024 mehr Steuern zahlen. Das könnte den Kantonen zusätzliche Einnahmen von bis zu 2,5 Milliarden Franken bescheren. Was soll mit dem Geld geschehen – und wie kann die Schweiz trotzdem attraktiv für Konzerne bleiben?

Maja Briner
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Finanzminister Ueli Maurer wird die Vorlage im Parlament vertreten müssen.

Finanzminister Ueli Maurer wird die Vorlage im Parlament vertreten müssen.

Keystone

Zahlreiche Grosskonzerne werden künftig mehr Steuern abliefern müssen. Der Bundesrat will sie ab 2024 stärker zur Kasse bitten - allerdings nicht freiwillig. Grund ist die Mindeststeuer, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und den 20 mächtigsten Industriestaaten (G20) vereinbart wurde. Am Freitag gab der Bundesrat bekannt, wie er diese national umsetzen will - und wie viel zusätzliche Steuereinnahmen er erwartet.

Noch sind es nur «erste grobe Schätzungen», doch sie lassen aufhorchen: Der Bund geht von Mehreinnahmen von 1 bis 2,5 Milliarden Franken aus, die vollumfänglich an die Kantone fliessen sollen. Zum Vergleich: Juristische Personen lieferten 2019 rund 25 Milliarden Franken an Gewinn- und Kapitalsteuern an Bund, Kantone und Gemeinden ab.

Stärker zur Kasse gebeten wird nur ein Teil der Unternehmen: für international tätige Grosskonzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro pro Jahr gilt ab 2024 eine Mindeststeuer von 15 Prozent - berechnet gemäss OECD-/G20-Vorgaben. Betroffen sind laut Bund 2200 Firmen, 200 davon sind schweizerische Unternehmensgruppen, 2000 sind ausländische Konzerne mit Aktivitäten in der Schweiz.

Diese Grosskonzerne sollen künftig in einem ersten Schritt normal besteuert werden. Zusätzlich verlangen die Kantone sodann eine «Ergänzungssteuer», falls die Konzerne zu weniger als 15 Prozent besteuert wurden.

Rückschlag für Attraktivität

Für die Schweiz und insbesondere die Tiefsteuerkantone ist die Mindeststeuer ein Problem. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse warnt vor einer «Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts». Der Bund befürchtet, dass sich weniger Unternehmen ansiedeln könnten, gewisse Firmen das Land verlassen oder auf Investitionen verzichten könnten.

Die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer sollen deshalb auch dazu eingesetzt werden, den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. Wie genau das geschehen soll, ist noch offen. Derzeit seien Gespräche im Gang, heisst es bei der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren, es würden «zahlreiche Vorschläge diskutiert».

Der Spielraum ist beschränkt. Da sind zum einen internationale Vorgaben, zum anderen die politische Akzeptanz. Denkbar sind etwa Förderbeiträge für Forschung, eine Erhöhung der Kontingente für Fachkräfte oder tiefere Steuern für natürliche Personen. Die Kantone sollen in den nächsten Monaten ihre Pläne vorlegen.

Rote Linien werden bereits gezogen

Die SP, die erst kürzlich die Abschaffung der Stempelsteuer erfolgreich bekämpft hat, zieht bereits rote Linien. «Es darf nicht sein, dass die Mindeststeuer mit neuen Subventionen und Privilegien gleich wieder ausgehebelt wird», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. «Wenn die zusätzlichen Steuereinnahmen ohne Vorgaben an die Kantone gehen, werden wir die Vorlage bekämpfen.»

Die zusätzlichen Mehreinnahmen dürfen aus Sicht der SP nicht an die Konzerne zurückfliessen. «Das Geld muss den Menschen zugutekommen, zum Beispiel über die Krankenkassenprämien», sagt Wermuth. Akzeptabel sind aus Sicht der SP Projekte für Forschung und Entwicklung oder Investitionen in die Infrastruktur wie beispielsweise in Kitas.

Noch zu Diskussionen Anlass geben dürfte auch die Frage, ob die zusätzlichen Einnahmen vollständig zu den Kantonen fliessen sollen. SP und Grüne fordern, zumindest ein Teil müsse an den Bund gehen. Anders sehen dies bürgerliche Politiker wie etwa Mitte-Ständerat Erich Ettlin. «Die Kantone wissen am besten, wie sie das Geld sinnvoll einsetzen können, damit sie als Standort attraktiv bleiben», sagt er.

Klar sei, dass die Einnahmen nicht vollumfänglich zu den Unternehmen zurückfliessen dürften. «Ein Teil muss allen Bürgern und Bürgerinnen zugutekommen, beispielsweise über Ausbildungsmassnahmen.»

Freiwillig, und doch unter Zwang

Dass die Schweiz bei der Mindeststeuer mitzieht, ist für den Bundesrat trotz des Verlusts an Standortattraktivität klar. Denn tut sie das nicht, würden die betroffenen Konzerne im Ausland nachbesteuert - die Steuereinnahmen würden also gewissermassen verschenkt.

Um das Projekt rasch umzusetzen, schlägt der Bundesrat eine Verfassungsänderung vor. Der Zeitplan ist sportlich: Bis April dauert die Vernehmlassung, bis Ende Jahr soll das Parlament die Vorlage unter Dach und Fach bringen. Im Juni 2023 ist die Volksabstimmung vorgesehen, damit die Reform am 1.1. 2024 in Kraft treten kann.