Zeitzeugen erzählen
«Oral History»-Projekt des Kultur-Historischen Museums ist gestartet

Das Kultur-Historische Museum Grenchen sammelt Erinnerungen von Zeitzeugen. Neun in Bettlach und Grenchen aufgewachsene Frauen und Männer tauschten sich am ersten Geschichtencafé über die Schule und ihre Kindheit aus.

Nadine Schmid
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Ab und zu gab es im Kultur-Historischen Museum auch etwas zu lachen, wenn sich Zeitzeugen an ihre eigene Geschichte erinnern.

Ab und zu gab es im Kultur-Historischen Museum auch etwas zu lachen, wenn sich Zeitzeugen an ihre eigene Geschichte erinnern.

Nadine Schmid

Wie war die Schule in den Vierziger- und Fünfzigerjahren? Wie wurde sie von Zeitgenossen erlebt und wie verbrachten sie ihre Kindheit? Diesen Fragen wurde im Kultur-Historischen Museum im Rahmen eines ersten «Geschichtencafés» auf den Grund gegangen.

Dabei handelt es sich um ein neues, langfristiges Projekt des Museums, in dem es darum geht, aus Erinnerungen von Zeitzeugen Informationen zum zwanzigsten Jahrhundert zu sammeln. Vieles aus dieser Zeit ist noch unerforscht. «Es geht auch darum, die Leute darauf zu sensibilisieren, über ihre Lebensgeschichte nachzudenken und über sie zu reden», erklärte Museumsleiterin Angela Kummer.

«Oral History» nennt die Fachwelt diese besondere Form der Geschichtsforschung. Dieses Projekt könne womöglich gewisse Erkenntnisse für die neue Stadtgeschichte liefern, die die Stadt momentan erarbeitet. Genauso erhofft man sich durch dieses Projekt, spannende Informationen und Anekdoten für künftige Ausstellungen und Führungen zu gewinnen. «Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, es ist noch vollkommen offen, welche Richtung es einschlagen wird», so Kummer. Bereits vor ein paar Jahren wurde versucht, mit dem «Erinnerungsclub» einen ähnlichen Anlass zu starten, der aber anders aufgebaut war und schliesslich aus mangelndem Austausch versandete.

Museum als Begegnungsort

Im Kultur-Historischen Museum gibt es nicht nur Ausstellungen und Führungen, das Museum engagiert sich in vielen anderen Bereichen, so in der Vermittlung, der Forschung und bei Sammlungen. Kummer: «Das Museum soll immer mehr zum Begegnungsort werden, wo man sich auch über die Vergangenheit austauschen kann.»

Beim nachmittäglichen Geschichtencafé übernahm Kulturvermittlerin Monika Bruder die Gesprächsleitung. Den neun Teilnehmenden wurden die Fragen im Voraus zugeschickt. Sie alle waren in Grenchen oder Bettlach aufgewachsen, es handelte sich um einen geschlossenen Anlass. Ernste und lustige Geschichten fanden hier ihren Raum. Es wurde an die unbequemen Wollstrümpfe erinnert, an die Schwestern des Bachtelen, die ihre Röcke rafften und bei einem Spiel jauchzend vom Balkon sprangen.

Ebenso wurde an die bei Nacht mit Wolldecken verhangenen Fenster in der Kriegszeit erinnert, an das damit verbundene Brummen der Flugzeuge und die verbrachten Stunden im Keller. Nach dem Krieg habe es Schulklassen von vierzig bis fünfzig Kindern gegeben, der Kindergarten war damals noch freiwillig. «Der Lehrer war eine Erziehungsperson. Manchmal brauchte man nur ein harmloses Wort zu sagen, um bestraft zu werden», erinnerte sich eine Anwesende. «Diese Position wurde regelrecht ausgenutzt.» Dabei seien sozial schwächere Kinder ungerechter behandelt worden als sozial bessergestellte Kinder.

Bachtelenkinder ausgegrenzt

Im Hinblick auf die nächste Sonderausstellung interessierte auch die damalige Beziehung zum sonderpädagogischen Zentrum Bachtelen, das damals noch als reines Kinderheim geführt wurde. Die dort untergebrachten Mädchen und Jungen waren vornehmlich Waisenkinder und gingen in dieselbe Schule wie alle anderen Kinder.

Sowohl Mädchen als auch Jungen des Bachtelen mussten Schürzen tragen, etwas, das eigentlich nur für Mädchen typisch war, so eine Teilnehmerin. «Sie trugen abgetragene Kleidung. Gebrauchte, alte Kleidungsstücke gab man damals im Bachtelen ab», erklärte ein Zeitzeuge. Die Kinder des Bachtelen waren ausgegrenzt. «Wenn du dich nicht benimmst, bringen wir dich ins Bachtelen», waren gebräuchliche Drohworte von Erwachsenen an Kinder.

Das Geschichtencafé soll jährlich vier Mal stattfinden, das nächste Treffen ist am 28. Juni, von 14 bis 16 Uhr. Das Gesprächsthema wird sich auf den Lebensabschnitt unmittelbar nach der obligatorischen Schulzeit konzentrieren. Eine Anmeldung ist erforderlich. Interessenten können sich beim Kultur-Historischen Museum melden.