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Bestattungsriten in der Schweiz: In der Abdankungshalle wurden antike und zeitgenössische Rituale vorgestellt. Die Referenten sprachen Tabuthemen wie Aschen- und Glaubensfreiheit an.
Diverse Referenten gaben, ausgehend von den rechtlichen Grundlagen der Bundesverfassung, vergangenen Sonntag einen spannenden, fast zweistündigen Überblick über antike sowie zeitgenössische Bestattungsriten, wie sie in der Schweiz praktiziert werden. Organisiert wurde der Anlass auf dem Friedhof Grenchen im Rahmen der landesweit stattfindenden Woche der Religionen.
«Es ist ein ekelerregendes Gefühl, in der Asche einer verstorbenen Person zu schwimmen.» So erinnerte sich Roger Juillerat zum Auftakt seines Vortrags an ein persönliches Erlebnis im Wohlensee, als eine östliche Glaubensgemeinschaft unter Gesängen neben ihm eine Urne ins Wasser leerte. Der reformierte Pfarrer und Jurist erklärte die Glaubensfreiheit und deren Grenzen. So habe jene Gemeinschaft nicht gegen das Gesetz verstossen, denn in der Schweiz gelte die sogenannte Aschenfreiheit.
Eingriffe in die Glaubensfreiheit seien nur zulässig, wenn von Praktiken eine Gesundheits- oder Sicherheitsgefährdung ausgehe. Entsprechend habe das Bundesgericht das Begehren muslimischer Gemeinschaften abgelehnt, Tote ohne Sarg, nur in Tücher gehüllt, zu bestatten. Ebenso wenig sei das Verbrennen von Toten unter freiem Himmel zulässig, wie es etwa in Indien praktiziert wird.
Eleni Kalogera von der römisch-katholischen Kirchgemeinde nahm das Publikum mit auf eine Bestattungskulturreise durch die Jahrtausende. Von der Einbalsamierung bei den Ägyptern über das antike Judentum zu den Römern spannte sie den Bogen. Unsere Gesellschaft habe die ersten Konzepte einer klar umrissenen Seele den alten Griechen zu verdanken. «Der Gedanke an den Tod erfüllte die Griechen mit Grauen», erklärte die Theologin. Weiter erfuhr das Publikum, dass die Römer mit ihren Toten zwar fleissig Beigaben bestattet hätten, dass aber kaum Waffen dabei waren, weil diese als Staats- und nicht als Privateigentum galten.
Renata Schreiber, die Präsidentin der christkatholischen Kirchgemeinde, erklärte die gängigen christlichen und säkularen Praktiken zum Abschied eines Menschen. Zugenommen hätten die Mundartbeiträge von Angehörigen (neben dem einst verbreiteten Hochdeutsch des Pfarrers). «Geblieben sind die Rituale, der Blumenschmuck und das Licht, vor allem in Form von Kerzen. Bei der Krankensalbung, die den katholischen Konfessionen gemeinsam ist, stehe heute die Genesung im Zentrum und nicht die Idee von «letzter Ölung». Allgemein werde im christlichen Kontext heutzutage der Fokus auf die Versöhnung gelegt. Das Eingeständnis von Schuld bei Sterbenden habe an Bedeutung verloren.
Der Moderator, der frühere reformierte Kirchgemeinderat Jean-Michel Notz, bedauerte die Absage des hinduistischen Vertreters nur wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung. Umso mehr freute sich Notz über das «riesige Glück», von muslimischer Seite eine «umfangreiche Präsentation» zu hören und zu sehen.
Als einzigem Vertreter einer nicht christlichen Glaubensgemeinschaft war Enes Ismaili von der Albanisch-islamischen Glaubensgemeinschaft ohnehin grosse Aufmerksamkeit sicher. Erst erklärte er die Grundlagen des Islams sunnitischer Prägung, der hierzulande am meisten verbreiteten islamischen Glaubensrichtung. Dann zeigte er den Ablauf von Sterbebegleitung, Totenwaschung und Bestattung auf.
Anhand von Koranversen erläuterte Ismaili kurz die Vorstellung vom Paradies und ausführlicher von der Hölle, vom Gericht und von den 99 Namen Gottes. Davon hätten lediglich zwei, wie er betonte, eine negative oder rächende Note. Alle übrigen Gottesnamen im Koran seien positiv.