Grenchen
SWG-Geschäftsführer Per Just: «Jede Instanz gab uns bis jetzt recht»

Per Just, Geschäftsführer der SWG, nimmt nach dem Gemeindeversammlungsentscheid Stellung zu künftigen Herausforderungen für die Grenchner Stadtwerke. Für die Realisierung des Windparks bleibt er zuversichtlich.

Andreas Toggweiler
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«Die SWG muss sich verschiedenen Entwicklungen stellen», meint Per Just, Geschäftsführer der SWG.

«Die SWG muss sich verschiedenen Entwicklungen stellen», meint Per Just, Geschäftsführer der SWG.

Oliver Menge

Wie gross war Ihre Erleichterung nach dem Gemeindeversammlungsentscheid von letzter Woche?

Per Just: Sehr gross, wurde doch im Vorfeld mit unhaltbaren Behauptungen Stimmung gemacht. Dies hat die Mitarbeiter von Panaiia & Crausaz (P&C) sowie der SWG stark verunsichert.

Glauben Sie, dass nach diesem Volksverdikt die Kritiker verstummen werden?

Wenn man sich der Demokratie verpflichtet sieht, wäre dies zu erwarten.

Wie ist die SWG im gegenwärtigen Marktumfeld aufgestellt?

Das ist schwierig zu sagen, denn das Umfeld ist sehr stark im Wandel. Zusätzlich ändern sich auch die gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Wir sind gleichzeitig an vielen Fronten beschäftigt. Auf jeden Fall haben wir betreffend unsere Strategie keinen Rückschlag erlitten und sind somit auf Kurs. Seitens der Stadt als Besitzerin haben wir nun klare Rahmenbedingungen in Form der Eignerstrategie. Die noch notwendige Leistungsvereinbarung ist in Arbeit, ja auf der Zielgeraden. In den Disziplinen Energieeinkauf und Vertrieb sind wir gut aufgestellt. Bei der Eigenproduktion von Ökostrom und Biogas sind wir gestartet aber der Weg ist noch lang.

Welche Entwicklungen kommen auf die SWG zu?

Sehr vielfältige, ich zähle, nicht abschliessend, auf: Marktöffnungen bei Strom und bei Gas Marktöffnung Gas, Energiestrategie 2050, CO2-Gesetzgebung, Dekarbonisierung, zunehmende Regulierungsdichte, Dezentralisierung der Stromproduktion, hauptsächlich bei der Fotovoltaik.

Die Kritiker der SWG fordern mehr Transparenz: Wo können Sie Hand bieten, wo nicht?

Der Gemeinderat hat die SWG beauftragt, die Rechnungslegung in Anlehnung an Swiss Gaap Fer zu erstellen. Wir haben beschlossen, die Rechnungslegung richtig nach Swiss Gaap Fer zu machen. Dies bringt kurzfristig etwas Mehraufwand, dafür folgen wir einem anerkannten Standard. Ein solcher Abschluss ist transparenter als einer nach Obligationenrecht (OR), so wie wir in den letzten Jahren erstellt haben. Was Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit anbelangt, stehen wir vor einem Zielkonflikt zwischen dem Wunsch einer 100%igen Transparenz und der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen gegenüber Konkurrenten. Hier betone ich, dass mit Konkurrenz keine Baufirmen gemeint sind, sondern andere Energieversorgungsunternehmen. Bei der bevorstehenden Marktöffnung ergeben sich völlig neue Konkurrenzmodelle, das ist man sich in der breiten Öffentlichkeit vielleicht so noch nicht bewusst. Die SWG vertritt hier die Interessen der Region Grenchen.

Laut der soeben genehmigten Jahresrechnung hat die SWG fast 10 Mio. Franken Reserven aufgelöst. Wie viele Stille Reserven gibt es noch?

Ich muss da ein wenig korrigieren, wir haben Rückstellungen aufgelöst, dies aufgrund der Neubeurteilung von Risiken. Bei den stillen Reserven handelt es sich um unterbewertete Bilanzpositionen, welche nach OR gebildet werden können. Bei der neuen Rechnungslegung sind wir verpflichtet, effektive Werte zu bilanzieren. Das wird Veränderungen geben. Wie gross diese sein werden, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, da dies in Arbeit ist.

Glauben Sie nach mehr als einem Jahrzehnt Planung und juristischen Kämpfen noch an die Realisierung des Windparks?

Ja.

Was macht Sie da so zuversichtlich?

Man könnte meinen, dass nach 13 Jahren Planung und Entwicklung der Glaube an die Realisierung vergeht. Warum dem nicht so ist, kann ich wie folgt erklären: Jede Instanz hat uns bis jetzt recht gegeben. Die Energiestrategie 2050 stützt sich schwergewichtig auf ökologische Stromproduktion. Die ­Dekarbonisierung wird den Strombedarf im Winter eher steigern. Dies sind die Punkte, die meine Zuversicht in dieser Sache stärken.

Visualisierung der Windparkanlage auf dem Grenchenberg.

Visualisierung der Windparkanlage auf dem Grenchenberg.

zvg

Die Windparkgegner fordern vor allem Investitionen in die Solarenergie. Tut hier die SWG zu ­wenig?

Ich erachte es als nicht zielführend, die eine Produktionsart mit der anderen zu vergleichen oder in Konkurrenz zu stellen. In Zukunft werden wir alle im richtigen Mix brauchen. Mit Fotovoltaik wird grösstenteils im Sommer Strom produziert. Energiewirtschaftlich gesehen haben wir dann jedoch keinen Energiemangel. Unser Problem ist das Winterhalbjahr, da bringt die Wasserkraft weniger, die Fotovoltaik weniger und die AKWs werden mittelfristig abgestellt. Windenergie bringt im Winterhalbjahr mehr, muss jedoch realisiert werden können. Nun zu Ihrer Frage: Wir investieren in Solarenergie dort, wo wir können und es für die SWG Sinn macht. Mehrere Anlagen sind schon in Betrieb. Wir haben auch neue Anwendungsmodelle entwickelt, die wir in Kürze vorstellen werden. Die SWG ist da nicht untätig.

Kritisiert wird auch, dass die SWG zu sehr auf Gas setzt. Wie nachhaltig ist dieser Energieträger? Ist ein Ausstieg (Dekarbonisierung) möglich?

Gas ist nach wie vor ein ökologischer Energieträger, welcher 25 Prozent weniger CO2 ausstösst, als wenn man die gleichen Anwendung mit Öl befeuert. Solange wir im Winter Strom für unsere Wärmepumpen importieren müssen, welcher dann zu einem grossen Teil mit Kohle produziert wird, ist Gas noch immer eine gute Lösung. Diesen Energieträger wollen wir zusätzlich ökologisieren. Hier ist unser Weg Biogas. Wir haben in Zusammenarbeit mit der ARA unsere Biogasanlage gebaut. Dies ist ein erster Schritt. Wir sind daran, diesen Weg weiter zu beschreiten. Eine Teil-Dekarbonisierung ist möglich. Wie viel Zeit wir dafür brauchen und wie weit wir da gehen können, können wir aber zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Das Ziel der Branche ist es, bis ins Jahr 2030 einen Anteil von 30 Prozent Biogas zu haben.

Das Wasserleitungsnetz der Stadt ist offenbar nicht im besten Zustand. Haben Sie hier einen Überblick, was auf Grenchen zukommt?

Wir haben ein gutes Netz, jedoch ein Problem mit einem bestimmten Rohrmaterial. Es ist das bekannte Duktilgussproblem. Das ist real und das können wir beweisen! Da sind wir nicht alleine, wie teilweise behauptet wurde, andere Versorger kennen dies auch. Wir wissen, wie viele solche Leitungen im Boden sind. Deren genauen Zustand zu ermitteln, ist jedoch anspruchsvoll. Wir haben mit einem neuen Verfahren begonnen, diese Zustandsermittlung anzugehen. Dabei haben wir mittlerweile sehr gute Resultate erzielt und werden nun Schritt für Schritt die betroffenen Leitungen mit diesem Verfahren überprüfen, aber das geht nicht über Nacht.

Im Januar kam es zu einem Leitungsbruch auf der Leuzigenstrasse. (Archiv)

Im Januar kam es zu einem Leitungsbruch auf der Leuzigenstrasse. (Archiv)

Oliver Menge

Die Reparaturarbeiten durch das Berstlining wecken Befürchtungen hinsichtlich der Beschädigung anderer Leitungen. Wie kann man sicher sein, dass das nicht passiert, wenn man die Leitungen nicht ausgräbt?

In Grenchen haben wir wohl einen der besten und komplettesten Leitungskataster. Das heisst, alle Leitungen sind nach Lage, Durchmesser, Material und Tiefe in eben diesem Plan aufgeführt. Dies gibt Sicherheit. Das Prinzip des Berstlinings ist das Folgende: Man zieht ein Gestänge mit einem Aufweitkegel durch die zu ersetzende Leitung und weitet diese so weit auf, dass sie aufbricht, eben berstet, und zieht dann gleich die neue Leitung ein. Man muss bei diesem Verfahren einige Regeln beachten. Man darf nicht zu viel aufweiten, wenn andere Leitungen in der Nähe sind und die Überdeckung der Leitung muss genügend sein. Dafür nutzen wir das Leitungskataster.

Die Strassenbeläge von P&C sind nach den Reparaturen gut erkennbar. Sie sind viel gröber (billiger?) als diejenigen anderer Baufirmen, auch auf den Trottoirs. Ist das nicht am falschen Ort gespart?

Dies kommt vom Bauablauf, welcher bei allen Baufirmen, die Strassen aufbrechen und wieder in Stand stellen müssen, der Gleiche ist. Wenn man ein Stück Strasse nach einer Reparatur wieder asphaltiert, wird dies mit einem relativ groben Asphalt, die Tragschicht eingebaut. Nachher wartet man einige Zeit, in der Regel ein Jahr, bis sich dies Reparaturstelle gesetzt hat und erst dann wird die oberste Schicht aufgefräst und der Feinbelag wird eingebaut. Dies ist nicht ein P&C Problem, sondern der normale Bauablauf. Es wird hier nicht gespart, sondern es werden die Regeln der Baukunst befolgt und das nach Weisung der Baudirektion. Es kann geschehen, dass bei einer anstehenden Sanierung einer Strasse etwas länger gewartet wird. Dies spart Kosten bei der Strassensanierung ein und nicht bei der SWG.