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Kanton Solothurn
Thomas Vogt ist Präsident der Vereinigung Solothurner Banken. Er spricht über seine Erfahrungen in der Coronakrise, die Verantwortung der Banken und das Erfordernis, möglichst rasch zur Normalität zurückzufinden.
Sagen Sie uns, beginnen Ihre Arbeitstage früher als sonst?
Thomas Vogt: Nein, das nicht. Aber sie enden noch viel später als sonst schon.
Sind Sie im Büro oder im Homeoffice?
Sowohl als auch. Um die Distanzregeln auch im Betrieb so gut wie möglich einhalten zu können, ist teilweise Homeoffice angesagt. Meine Hauptaufgabe als Chef der Bank besteht aber im Führen der Equipe. Ich will sehen und spüren, wie es meinen Mitarbeitenden geht, und ich will sie, wenn nötig, unterstützen können. Das geht nicht von zu Hause aus.
Wie beurteilen Sie die Situation der KMU im Kanton aktuell?
Für ganz viele ist die Situation ausserordentlich hart, bitter und ungewiss. Einige fürchten gar um ihre wirtschaftliche Zukunft. Dass man in der Öffentlichkeit nur wenig davon vernimmt, mag mit Stolz zu tun haben. Meines Erachtens zeigen aber auch die Hilfestellungen seitens des Bundes und des Kantons Wirkung. Die Willenskraft vieler KMU, die Sache auszusitzen, ist beeindruckend, ebenfalls die Art, wie sozial dies vielerorts angegangen wird. Der grossen Mehrheit der Solothurner KMU bedeutet die Rettung der Arbeitsplätze ganz eindeutig mehr als die Rettung des Eigenkapitals.
Wie gut funktioniert die Überbrückung von Liquiditätsengpässen?
Das Instrument der vom Bund garantierten Notkredite wird rege beansprucht und scheint die erwartete, günstige Wirkung zu erzielen.
Von welchem Kreditumfang sprechen wir im Fall der Spar- und Leihkasse Bucheggberg AG?
Von mehreren Millionen Franken.
Wie sieht es bei den Solothurner Banken insgesamt aus?
Da sich Betroffene an ihre Hausbank wenden, die ja irgendwo in der Schweiz stehen kann, sind Zahlen, die an der Kantonsgrenze Halt machen, nicht aussagekräftig. Die Nachfrage durch Solothurner Unternehmen – das ist aber bloss eine persönliche Wahrnehmung nach Befragung einer repräsentativen Zahl von in der Region tätigen Banken – scheint allerdings im Moment noch vergleichsweise tief zu sein. Vielleicht bildet dies die relative Stärke des Wirtschaftsstandorts ab.
Mit welchem Volumen rechnen Sie insgesamt?
Das Programm der vom Bund garantierten Notkredite läuft bis Ende Juli. Es scheint sich abzuzeichnen, dass die bereitgestellten Mittel (40 Milliarden Franken) ausreichen werden, vor allem dann, wenn der weitgehend totale Stillstand in absehbarer Zeit ein Ende nehmen sollte. Bis am Schluss dürften von den Bundesmitteln vielleicht etwa eine bis eineinhalb Milliarden in den Kanton Solothurn geflossen sein.
Wo liegen die Tücken der Unterstützung?
Oft wird vergessen, dass die vom Bund bereitgestellten Mittel nicht à fonds perdu ausgeschüttete Unterstützungsbeiträge sind, sondern einzig dazu dienen, in Not Geratenen bedürfnisgerecht zu Überbrückungsdarlehen zu verhelfen. Nach meinem Gefühl haben nun nicht wenige KMU und Gewerbetreibende Kredite bezogen, die zurückzuzahlen sie aller Aussicht nach niemals in der Lage sein werden. Diese sich abzeichnende Überschuldung bereitet mir Sorgen.
Gibt es auch missbräuchliche Kreditanträge?
Natürlich. Die Kredite sind bekanntlich zügig auszubezahlen und fussen in der Regel auf einer Selbstdeklaration ihrer Notlage durch die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller. Da staunen wir dann gelegentlich schon, was gewisse Leute unter «Notlage» verstehen. Wer einen Notkredit bezieht, willigt mit seiner Unterschrift zu vollkommener Transparenz ein, was bedeutet, dass seine Rechnungslegung ab sofort von zahlreichen Stellen, auch von der Steuerverwaltung, auf bisher völlig unbekannte Art durchleuchtet werden kann. Ich gehe davon aus, dass Missbräuche auffliegen und zu den wohlverdienten Sanktionen führen werden. Die Redlichen haben nichts zu befürchten.
Und was ist mit dem Verdienst der Banken in der ganzen Sache?
Ich kenne keine Bank, die auf Grund des Notstands Geld verdient, und ich kenne auch keine, die das anstrebt.
Der Staat funktioniert mit Notrecht. Kann das ein Zustand auf Dauer sein?
Auf gar keinen Fall. Mit der Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit muss sogar umgehend begonnen werden. Gewisse Massnahmen stehen rechtlich auf dünnem Eis. Ist die Krise einmal vorbei, muss vor allem die Freiheit vollständig wiederhergestellt sein.
Was wir uns derzeit umständehalber bieten lassen, hätten wohl nicht einmal die Bürger der DDR akzeptiert.
(Quelle: Thomas Vogt, Präsident der Bankenvereinigung)
Aber es brauchte die Intervention von Bund und Kanton schon, oder?
Natürlich. Aber das Notrecht hat zwei Facetten, eine betrifft die Hilfeleistungen durch die öffentliche Hand. Diese sind unbestritten. Die andere ist die von einem Moment zum anderen verfügte Einschränkung von Rechten, deren Unberührbarkeit die Verfassung bislang garantierte. Was wir uns derzeit umständehalber bieten lassen, hätten wohl nicht einmal die Bürger der DDR akzeptiert.
Was braucht es über den Tag hinaus für die Wirtschaft?
Der verordnete Stillstand ist fatal und wird, sollte er über längere Zeit in der heute praktizierten, rigorosen Form aufrechterhalten werden müssen, viele Menschen ins Verderben stürzen. Dabei denke ich nicht nur an die Unternehmen und ihre Angestellten, sondern auch an den Kreis derjenigen, welche das sogenannte Arbeitsleben noch vor sich haben oder bereits hinter sich. Ich gehe davon aus, dass dies den Behörden bewusst ist – und dass sie dies in ihre Überlegungen zu den nächsten Schritten mit einbeziehen. Sobald sich zeigt, dass die Verbreitung des Virus auch anders eingedämmt werden kann als mit den heute bekannten Massnahmen, sind die Weichen in Richtung Rückkehr zur Normalität zu stellen.
Gibt es spezifische Solothurner Eigenheiten?
Niemand kennt die Strukturen des Kantons und dessen Eigenheiten besser als der Solothurner Regierungsrat, der in den Wochen der Krise meines Erachtens bisher einen ausgezeichneten Job gemacht hat. Ich gehe davon aus, dass auch die künftigen Massnahmen wohlweislich erfolgen werden. Im Besonderen zähle ich darauf, dass das vom Bund verfügte Regime des beinahe totalen Stillstands dort, wo das Ziel mit anderen Mitteln erreicht werden kann, also die Gesundheit in keiner Art und Weise gefährdet wird, schon bald pragmatischer angewandt wird.
Spielt es eine Rolle, dass dem Kanton keine Bank mehr gehört?
Nein, überhaupt nicht.
Kantonalbanken erweisen sich anderswo derzeit aber gerade als sehr nützlich.
Das wird behauptet, ich kann das aber überhaupt nicht erkennen. Kantonalbanken unterscheiden sich heutzutage von den anderen Geschäftsbanken eigentlich nur noch durch die Eigentumsverhältnisse und gewisse, wettbewerbsrechtlich fragwürdige Sicherheiten, welche die öffentliche Hand im Krisenfall leisten müsste. Im Übrigen machen Kantonalbanken das Gleiche wie alle ihre Konkurrenten. Die Mittel, die beispielsweise der Kanton Solothurn für Notleidende bereitgestellt hat, erreichen diese auch ohne eigene Kantonalbank.
Sie haben zusammen mit den Spitzen der Wirtschaftsverbände einen Plan für die Zeit nach der Krise gefordert. Ist das nicht ein bisschen früh?
Keinesfalls. Im Gegenteil: Es wäre gar nicht gut, wenn die Behörden nicht bereits heute über einen solchen Plan verfügen würden. Abgerissen ist schnell, aber wiederaufgebaut? Die Zeit danach wird die vielleicht anspruchsvollere und schwierigere sein als die Zeit heute.
Konkret: Was soll der Plan denn beinhalten?
Den Einwohnerinnen und Einwohnern, den Wirtschaftenden mitsamt den Konsumentinnen und Konsumenten muss behördenseitig sehr bald aufgezeigt werden, wie die Rückkehr zur Normalität ausgestaltet werden wird, damit allseits entsprechende Vorbereitungen getroffen werden können.
Was ist die Rolle der Finanzwirtschaft dabei?
Die Finanzdienstleistungsindustrie hat eine ausserordentlich grosse volkswirtschaftliche Bedeutung. Knapp ausgedrückt kann man sagen, dass sie die Volkswirtschaft mit dem Geld versorgt, das diese benötigt, um zu florieren und bestenfalls zu wachsen. Auf diese gesellschaftspolitische Verantwortung werden wir Banken uns in naher Zukunft wieder besonders stark besinnen.
Wie lange wird es dauern, bis sich die Wirtschaft erholt haben wird?
Das kommt einerseits darauf an, auf welchen Zeitpunkt hin die Landesregierung die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen lässt. Die Binnenwirtschaft könnte sich dann wohl innerhalb von vielleicht einem halben Jahr wieder aufrappeln. Andererseits wird es aber eine grosse Rolle spielen, wie rasch die Weltwirtschaft wieder bereit sein wird, unsere Produkte und Dienstleistungen zu den angestammten Preisen abzunehmen beziehungsweise hier einzukaufen. Unsere Branche geht davon aus, dass die Folgeschäden noch in Jahren zu spüren sein werden. Aber die Schweiz ist hervorragend aufgestellt. Wir werden auch diese Krise meistern.
Wie verbringen Sie Ostern?
Zu Hause, natürlich! Im Kreis der Familie, traditionell und besinnlich.