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Kanton Solothurn
Vor dem Solothurner Obergericht musste sich eine Schweizerin verantworten, die Prostituierte zur Arbeit gezwungen haben soll.
Durch das Amtsgericht Solothurn-Lebern wurde My A.* (Name der Redaktion bekannt) vor zwei Jahren wegen Menschenhandels, der illegalen Förderung der Prostitution, der mehrfachen Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts in Bereicherungsabsicht, des gewerbsmässigen Drogenhandels und der Geldwäscherei schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil hatte die Angeklagte Berufung eingelegt.
Die gesamte Untersuchung gegen die sexuelle Ausbeutung von aus Thailand stammenden Sexarbeiterinnen hatte zu 18 Hausdurchsuchungen und 19 Anklagen geführt.
Die extrem unterschiedlichen Interpretationen der Fakten zeigen auf, wie schwierig es ist, den Straftatbestand des Menschenhandels zu beweisen. Die Thailänderinnen, die einen Weg aus der Armut suchten, mussten Schulden machen, um die Reise in die Schweiz zu finanzieren. Diese Schulden sollten sie hier mit ihrem Lohn aus der Sexarbeit abzahlen. Bis zu diesem Punkt waren sich Anklage und Verteidigung mehr oder weniger einig.
«Das freundliche Lächeln war in den einschlägigen Lokalen nur Fassade, dahinter war ein knallhartes Kartell tätig, das die Frauen in die Verschuldung trieb», sagte Staatsanwalt Philipp Rauber in seinem Plädoyer. Der Grossteil des Lohnes sei den Frauen sofort abgenommen worden und hätten rund um die Uhr ohne Pause jeden Kunden bedienen müssen.
Seine Mandantin habe den Frauen nur dabei geholfen, Schulden abzubauen, argumentierte Rechtsanwalt Oliver Wächter im Plädoyer der Verteidigung. «Die Frauen haben schon in Thailand als Prostituierte gearbeitet und sind aus freien Stücken in die Schweiz gereist, weil es hier viel Geld zu verdienen gibt.» My A. habe mit keiner Agentur zusammengearbeitet und die Frauen gut behandelt. Monatlich 1000 Franken hätten die angeblichen Opfer an ihre Familien in die Heimat überwiesen, sie hätten nach Belieben kommen und gehen dürfen. My A. habe die illegale Beschäftigung nicht aus Bereicherungsabsicht, sondern aus Hilfsbereitschaft zugelassen.
Der Ehemann lieferte dem Gericht eine andere Erklärung. «Die Miete war hoch und das Unternehmen geriet finanziell in Schieflage», sagte der heute 70-jährige Schweizer. «Es fehlten die Frauen mit Bewilligung, weshalb mit der Zeit auch Frauen illegal arbeiteten.»
Das für die Strafzumessung schwerwiegendste Delikt ist zudem nicht der Menschenhandel, sondern der Drogenhandel. Bei der Hausdurchsuchung sei ein Lager von 70 Gramm Crystal Meth im Verkaufswert von 210'000 Franken gefunden worden, wodurch die Gewerbsmässigkeit des Drogenhandels bewiesen sei, sagte der Staatsanwalt. Die Freiheitsstrafe sei deshalb auf fünfeinhalb Jahre zu erhöhen.
Die Verteidigung dagegen fordert einen Freispruch im Anklagepunkt des Menschenhandels und eine Freiheitsstrafe auf Bewährung von 14 Monaten, weil die Angeklagte mit der gelegentlichen Weitergabe von Drogen nur ihre eigene Sucht finanzieren wollte. Deshalb sei eine Freiheitsstrafe von lediglich 14 Monaten angemessen, die auf Bewährung ausgesetzt werden solle.
Die öffentliche Urteilseröffnung folgt am Mittwoch um 15.30 Uhr.