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Der Damenturnverein Gerlafingen feiert sein hundertjähriges Bestehen – ein Spaziergang durch seine Geschichte.
1919: der 1. Weltkrieg war gerade vorbei. Ganz Europa atmete auf. Im Industriedorf Gerlafingen, das wegen seines grossen Arbeitgebers Von Roll vielleicht etwas mehr am Puls der neuen Zeit war als andere Landgemeinden, taten sich junge, unverheiratete Frauen zusammen, um einen Damenturnverein (DTV) zu gründen. Sie setzten sich über die zu dieser Zeit geäusserten Argumente hinweg, Turnen führe zur Vermännlichung des weiblichen Körpers und schade der Gebärfähigkeit. Die Frauen liessen sich nicht beeindrucken. 1928 nahmen sie in Berner Tracht an der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit in Bern teil. 1938 feierten sie das Jubiläum des grossen Bruders, des TV Gerlafingen, mit.
Die Auswirkungen des 2. Weltkrieges spürten die Turnerinnen darin, dass die Alte Turnhalle als damals einzige Gerlafinger Sportstätte von Militär besetzt war und Turnlektionen vermutlich durch Sockenstricken ersetzt wurden. Nach Ende des Krieges beteiligte sich der Verein am Spieltag in Grenchen (1945) und feierte 1949 sein 30-Jahr-Jubiläum.
Anlässlich der Jubiläumsfeier 1969 wurde die Mädchenriege des DTV gegründet, die sich zu einem starken Nachwuchsreservoir entwickelte. In den 1970er-Jahren umfasste sie mehr als 120 Kinder und Jugendliche. Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Firma Von Roll führte die Mädchenriege 1973, verstärkt durch einen Schulchor, das Hindemith-Singspiel «Wir bauen eine neue Stadt» auf. In dieser Zeit bildeten die alljährlich gemeinsam mit dem TV durchgeführten Abendunterhaltungen Treffpunkte des gesellschaftlichen Lebens in Gerlafingen. 1972/73 fanden gemeinsame Abendunterhaltungen mit Turnerinnen und Turnern aus Biberist statt, weil deren Saalgebäude abgebrannt war. Und selbstverständlich nahm der DTV am unvergessenen Umzug zur Feier von 700 Jahre Gerlafingen 1978 mit einer tanzenden «Zigeunergruppe» teil.
Dem DTV standen stets gut ausgebildete Leiterinnen und engagierte, freiwillige Helferinnen zur Verfügung. Schon 1959 hatte der Verein mit seinem ersten Maskenball am «Schmutzige Donnschtig» im Werkhotel grossen Erfolg geerntet mit jährlichen Wiederholungen bis ins neue Jahrtausend. Auch der Turnbetrieb wurde mit Erfolgen belohnt. 1984 wurde der DTV Turnfestsieger im Vereinswettkampf der höchsten Stärkeklasse an den Schweizerischen Frauenturntagen in Winterthur.
Aber nicht nur sportlich war viel los. Neben den Turnabenden lud der Verein zu geselligen Ausflügen, Touren und sogar zu mehrtägigen Fernreisen ein. Die aktuelle Jubiläumsreise beispielsweise wird nach Budapest führen. Dazu gehörten früher auch der Einsatz am jährlichen Lottomatch und aktuell immer noch die vereinsinternen Jahresabschlusshöcks.
Die Jahrbücher von Käthi Lanz-Hager geben Einblick in das jahrzehntelang pulsierende Vereinsleben, das sich jetzt mit veränderten gesellschaftlichen Bedingungen der neuen Zeit arrangieren muss. Heutzutage ist vieles für Sport und Fitness individuell erhältlich, ohne dass eine Vereinsverpflichtung nötig ist. «Wir sind aber immer noch in der glücklichen Lage, dass ein harter Kern ein gemeinschaftliches Vereinsdenken pflegt und Turnstunden für uns alle zu einem Vergnügen macht», erklären Katrin Meier und Marlise Wagner, die zum OK «100 Jahre DTV Gerlafingen» gehören. «Über die Jahre haben wir viel geübt für unsere Wettkampfprogramme, für die ‹Allgemeinen› im Schlussbouquet der Turnfeste, für unsere Bühnenauftritte an Unterhaltungsabenden: Aber wir hatten stets und haben immer noch einen tollen Gemeinschaftsgeist.» Wegen mangelnder Nachfrage mussten die Jugendabteilungen eingestellt werden. Neben den Vereinsturnstunden wird heute ein Gesundheitsturnen angeboten, das auch von Nicht-Mitgliedern besucht werden kann. «Wir passen unsere Angebote so an, dass wir weiter in bleiben.»
Das Jubiläum wird am 17. August gefeiert. Am gleichen Tag lädt der Verein die Bevölkerung ein, das Indiaca-Turnier in der Kirchackerturnhalle von 10 bis 16 Uhr zu verfolgen.