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Kit Armstrong tritt normalerweise in Weltstädten wie Berlin oder Schanghai auf: Am Dienstagabend gab der US-amerikanische Pianist ein Gastspiel im Oltner Konzertsaal und erhielt für seine eigenwilligen Interpretationen eine Standing Ovation.
Er sieht gut aus, viel jünger als er ist, wirkt bescheiden und doch überzeugend: Der in den USA aufgewachsene, heute aber im Norden Frankreichs lebende Pianist Kit Armstrong gehört zu der Handvoll musikalischer Ausnahmetalente, für die sich eine lange Anreise zu einem Konzert lohnt. Es gibt viele, die gut Klavier spielen können, aber ihnen fehlt das, was Kit Armstrong im Übermass besitzt: Charisma, Intelligenz und Charme. Der unglaublich begabte 27-Jährige spielt nicht nur in grossen Konzerthallen wie demnächst in Berlin, Rotterdam oder Schanghai, sondern gastiert ganz gerne hin und wieder in kleinen, aber feinen Konzertsälen – ein wahres Glück für Olten. Weither kam eigentlich nur der grosse Flügel, der auf Kosten der Firma Bechstein eigens aus Berlin in die Schweiz eingeflogen wurde. Das für ein Klavierrezital recht grosse Publikum kam in den Genuss eines aussergewöhnlichen Konzertabends und bedankte sich nach einer Sternstunde der Musik mit Bravorufen und einer Standing Ovation. Der Jubel war berechtigt.
Ein furioses Werk verblüffte schon zum Auftakt: Im «Capriccio in C», Op. 54, aus der mittleren Schaffensperiode von Joseph Haydn, zeigte Kit Armstrong, wie er mit technischer Brillanz und einer geradezu fröhlichen Verspieltheit das titelgebende Schrullige und Launische angeht. Seine linke Hand muss gezwungenermassen manchmal auch in den hohen Tönen trillern, und so greift er mal über seine weiterspielende Rechte in den andern Teil der Klaviatur oder, wenn es bei seinem schnellen Tempo, seinen gelegentlich lauten und akzentuierten musikalischen Klängen sein muss, auch mal unter der andern Hand hindurch. Dies sind keine Kapriolen eines Musikers, der sich in Szene setzen will. Armstrong macht all diese virtuosen pianistischen Kunststückchen nur, weil er sich tief in die Intentionen der Komponisten einfühlen kann. Bei der «Freien Fantasie» in fis-Moll von Bachs zweitältestem Sohn Carl Philipp Emanuel zeigt sich dies genauso wie in der nachfolgenden «Klaviersonate Nr. 11» von Wolfgang Amadeus Mozart. Den sechs Variationen nach dem ersten Satzthema lässt er einen eigenen, längeren Exkurs folgen, in dem er, wie es zu Mozarts Zeiten gelegentlich üblich war, teilweise improvisierend eine weitere Deutung beifügt. Das Publikum war etwas irritiert und klatschte, obwohl er das populäre Glanzstück der Sonate, das Allegretto «Alla Turca», noch gar nicht gespielt hatte.
Der charismatisch wirkende Kit Armstrong liebt es, Pausen innerhalb eines Satzes lange auszudehnen oder dann am Schluss eines Stückes erst nach längerem zu zeigen, dass er es beendet hat. Das Publikum folgte diesen unausgesprochenen Anweisungen einfühlsam und konzentriert, und hielt auch bei wunderbaren, leisen Stellen fast gar den Atem an; kaum ein Huster war zu hören. Armstrong erklärte nach der Pause kurz, wie die Stücke, die besonderen Harmonien und Klänge aus Johann Sebastian Bachs «Die Kunst der Fuge», BWV 1080, heute anders gesehen würden als zu ihrer Entstehungszeit. Mozarts «Fantasie für Klavier» in f-Moll, KV 608 war dann gewissermassen eine gediegene Überleitung zu einem der schönsten Klavierstücke überhaupt: Armstrong interpretierte Ludwig van Beethovens «Mondscheinsonate» mit einer gefühlvollen Leichtigkeit, im dritten Satz aber auch mit Wucht und Tempo. Den Jubel der Konzertbesucher belohnte Kit Armstrong mit einem kurzen Stück des französischen Barockkomponisten Jean-Philippe Rameau.