Nitratprojekt Gäu-Olten
Nitratprojekt geht in die vierte Runde – die Nitratwerte sinken zwar, aber noch nicht genug

Seit 1995 bewirtschaften Landwirte zwischen Olten und Oensingen ihre Felder nitratarm. Nun wird das Projekt sogar über die Kantonsgrenze nach Niederbipp ausgedehnt.

Rahel Bühler
Drucken
Die grün eingefärbte Fläche zeigt die Fläche des Projekts vor 2021. Mittlerweile ist auch ein Teil der Gemeinde Niederbipp dazugekommen (orange).

Die grün eingefärbte Fläche zeigt die Fläche des Projekts vor 2021. Mittlerweile ist auch ein Teil der Gemeinde Niederbipp dazugekommen (orange).

zvg

Im Schatten von Pestizid- und Trinkwasserinitiative hat der Kanton Solothurn Mitte Mai das Nitratprojekt Gäu-­Olten verlängert. Um eines gleich vorwegzunehmen: Dieses hat nichts mit den Initiativen zu tun. Bei den Initiativen geht es um Pestizide und Antibiotika. Beim Nitratprojekt um den Nährstoff Stickstoff.

Der Grundstein für das Projekt wurde 1995 mit der Gründung der Nitratkommission ­gelegt. In einigen Grundwas­serpumpwerken der Region überstiegen in den 1980er-­Jahren die Nitratgehalte das in der Gewässerschutzgesetzgebung verankerte Qualitätsziel von 25 Milligramm Nitrat pro Liter. So steht es auf der Website des Kantons. Seit 2000 läuft das Projekt. Der Bund erteilt dem Kanton jeweils die Bewilligung für sechs Jahre.

Was heisst das? Rainer Hug arbeitet als Hydrogeologe beim Amt für Umwelt und leitet das Nitratprojekt:

«Es hat zum Ziel, die Landwirtschaft so zu betreiben, dass möglichst wenig überschüssiger Stickstoff im Boden verbleibt und als Nitrat ins Grundwasser gelangt.»

In Zusammenhang mit Nitrat fällt oft das Wort «auswaschen». Auch Hug benutzt es während des Telefongesprächs mehrmals. «Pflanzen brauchen Stickstoff zum Wachsen. Über Dünger wird er in den Boden gebracht. Ist dort mehr Stickstoff vorhanden, als die Pflanzen aufnehmen können, wird er zu Nitrat umgewandelt. Bei Regen wird das ­Nitrat aus dem Boden gewaschen und gelangt ins Grundwasser.» Vor allem im Herbst und im Winter sei dies der Fall, weil die Pflanzen dann weniger Stickstoff brauchen.

Die Landwirte, die beim Nitratprojekt mitmachen, verpflichten sich daher, ihre Felder nitratarm zu bewirtschaften. «Sie legen ihre Ackerfelder still und lassen nur noch extensive Wiesen wachsen, die sie nicht düngen dürfen.» Das sind Wiesen, die weder gedüngt noch beweidet werden. Dieser Vorgang vermindert die Nitratauswaschung stark, führt aber zu Mindererträgen. Deshalb bezahlt das Nitratprojekt den Landwirten ihre Ertragseinbussen.

Das Nitratprojekt gibt auch vor, welche Fruchtfolge ein Bauer einhalten muss und wann er säen kann:

«Je früher er im Herbst ansät, desto mehr Stickstoff kann die Pflanze aufnehmen und desto weniger Nitrat gelangt ins Grundwasser.»

Ein Index gibt an, welcher Betrieb wie viel Nitrat auswäscht und welche Massnahmen er umsetzen muss.

Kosten für sechs Jahre: Zehn Millionen Franken

Die Massnahmen bringen Erfolg: Die Nitratwerte seien nicht weiter angestiegen, schreibt der Kanton in einer Mitteilung von Mitte Mai 2021. Laut Hug geniesst das Projekt eine hohe Akzeptanz: «Die Wasserver- sorgungen und die Landwirte ziehen in der Agrarpolitik nicht immer am gleichen Strick. Mit dem Nitratprojekt haben wir aber ein Gremium, das zusammenarbeitet. Das ist ein gros- ser Erfolg.» Den Bauern sei bewusst, dass die Region ein ­Nitratproblem hat, und sie helfen, es zu beheben. Die Wasserversorgungen bezahlen etwa einen Teil der Abgeltungen an die Landwirte.

Das Nitratprojekt reicht von Olten über Oensingen und neu bis nach Niederbipp.

Das Nitratprojekt reicht von Olten über Oensingen und neu bis nach Niederbipp.

Bruno Kissling

Weil die Nitratwerte im Grundwasser nicht unter das Qualitätsziel von 25 Milligramm Nitrat pro Liter gesunken sind, muss der Kanton das Projekt weiterführen: 2020 haben die Ämter für Umwelt und Landwirtschaft mit der Nitratkommission die Verlängerung beim Bund beantragt. Im Mai 2021 hat der Kanton die Genehmigung von Bundesbern und die Fortführung des Projekts bekannt gegeben. Neu kommt ein Teil der Gemeinde Niederbipp dazu. Bisher umfasste das Projekt 1658 Hektaren Land. Neu sind es 2005. Total umfasst das neue Gebiet 128 Betriebe. Davon machen 90 schon mit. Es ist das grösste Nitratprojekt der Schweiz.

Erstmals in der Schweiz bindet ein Nitratprojekt Gemüseanbau-Flächen ein. Die Düngung erfolgt dort nach Bestimmung des pflanzenverfügbaren Stickstoffs im Boden. Zudem ist eine Winterbegrünung der Felder und eine eingeschränkte Bodenbearbeitung im Winter erforderlich. Auch im Ackerbau geht man neue Wege: Man möchte künftig den Anbau von stickstoffeffizienten Kulturen, wie Hafer oder Quinoa, fördern, aber wie im Gemüsebau auch den im Boden bereits verfügbaren Stickstoff beim Ausbringen von Dünger besser berücksichtigen, sagt Hug.

Das Projekt kostet für die Periode von 2021 bis 2026 rund 10 Millionen Franken. Hug: «7,5 Millionen sind die Ersatzbeiträge für die Landwirte. Der Grossteil des Geldes für diese Abgeltungen kommt vom Bund. Den Rest übernehmen die sieben Wasserversorgungen in der Region. 1,2 Millionen Franken sieht der Kanton für die Projektumsetzung vor, namentlich die Beratung der Betriebe, Projektleitung und Weiterentwicklung der Massnahmen. Rund 60 Prozent der Kosten für die Projektumsetzung tragen die Wasserversorger, der Rest verbleibt beim Kanton.»