Startseite
Sport
Sport (AZ, BT)
David Schmid war Schwinger und Entfesselungskünstler. Das Nordwestschweizerische war sein letztes Fest. Der 31-Jährige tritt zurück. So wie er es immer wollte. Einfach ein Jahr später als geplant.
Noch ein letztes Mal. David Schmid steht alleine neben dem Brunnen, schaut zu, wie die Helfer das Sägemehl rechen, den Platz vorbereiten für den Schlussgang. Seinen Schlussgang. Um den Festsieg geht es zwar nicht, trotzdem sollte die Bühne stimmen. Noch ein letztes Mal.
Die Vorbereitung auf einen Kampf ist für Schmid längst Routine geworden. Das hilft ihm, nicht zu viel zu denken. Denn da gäbe es ja genug, woran er sich erinnern könnte kurz vor dem Ende einer Karriere, die viele Höhen kannte. 2016 wurde Schmid Eidgenosse, zweimal hat er das Nordwestschweizerische gewonnen.
Kein Wunder also, sollte dieses Fest den Abschluss bilden. So hat er es sich immer gewünscht. Einen Abschied vor Zuschauern, vor den schwingverrückten Fricktaler Fans, die mit zwei Reisecars nach Zunzgen gekommen sind, genau so, wie sie David Schmid und seinen Bruder Samuel an so manches Fest begleitet haben. Noch ein letztes Mal.
David Schmid schaut vom Brunnen aus zu, wie sich sein Bruder den Kranz sichert, die Welle der Fans startet. Ehrensache im Fricktal. Noch ein letztes Mal. David Schmid muss gewinnen, will gewinnen, um den 34. und letzten Kranz seiner Karriere zu feiern.
Adrian Reinhard heisst sein Gegner, einer, «der sehr schwierig zu bezwingen ist. Ich wusste, ich muss ihn irgendwie runterwürgen», sagt Schmid.
Runterwürgen. Nein, der ganz grosse Offensivschwinger war David Schmid nie. Dafür ein Meister in der Defensive. Einer, an dem die Gegner verzweifelten, wenn er seinen Körper anspannte, es fast unmöglich machte, ihn umzudrehen.
Dabei ist Schmid weder besonders gross noch schwer. Dafür verfügt er über eine unbändige Kraft, gepaart mit einer Beweglichkeit, die an einen Breakdancer erinnerte, wenn er sich in höchster Not spektakulär über seinen Kopf drehend befreite.
Ein letztes Mal. David Schmid läuft zum Sägemehl, gibt Reinhard die Hand. «David, David, David!» Die Fricktaler schreien, Schmid greift an, hat Reinhard irgendwann am Boden, da, wo er ihn haben will. Ein letztes Mal. Am Boden hat Schmid viele Kämpfe gewonnen. Er drückt, bleibt dran, bis das «Guet» des Kampfrichters seine Karriere beendet.
Der Rest ist eine grosse Feier. Ein Fest nach dem Fest. Rauf auf die Schultern der Teamkollegen, hin zur Familie. «Es stimmt einfach alles», sagt Schmid über den Moment, auf den er länger warten musste als geplant. «Ich habe schon mit 20 gesagt, dass der Lebensabschnitt, in dem ich intensiv Sport treiben will, bis 30 dauert. Jetzt wurde es sogar Spitzensport.»
Die Coronapandemie sorgte zwar dafür, dass Schmid 31 werden musste, bis er an einem Fest mit Zuschauern aufhören konnte. Aber am grundsätzlichen Entscheid, aufzuhören, hat die zusätzliche Bedenkzeit nichts geändert. «Ich wollte konkurrenzfähig gehen. Für mich war meine Karriere perfekt, wie sie ist.»
Schmid war in all den Jahren aber nicht nur Sportler, sondern immer auch Teamplayer. Daher erstaunt es nicht, was ihm neben seinen Erfolgen am meisten in Erinnerung bleiben wird. «Es ist gewaltig, was im Fricktal entstanden ist. Wir reisten mit zehn Schwingern nach Zunzgen. Diese Grösse ist eindrücklich. Ich will helfen, die gute Arbeit im Klub weiterzuführen.» Ab Herbst übernimmt er das Amt des Technischen Leiters, und wenn es nötig ist, will er im Training auch weiterhin in die Schwingerhosen steigen.
Mit David Schmid verliert der Nordwestschweizer Verband in dieser Saison nach Christoph Bieri einen weiteren Schwinger, der das Geschehen in den vergangenen Jahren stark mitgeprägt hat. Im Sägemehl wird er fehlen. Die Fricktaler Fans aber werden weiterhin an die Feste reisen. Für seinen Bruder und die anderen im Klub.