Am Sonntag geht es in der Premier League um alles, oder nichts

Showdown in der englischen Premier League. Am letzten Spieltag liefern sich Manchester City und Liverpool FC am Sonntag (16 Uhr) ein Fernduell um den Titel.

Carsten Meyer
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Wer holt den Titel: Pep Guardiola (links) oder Jürgen Klopp? (Bild: Dave Thompson/AP (Manchester, 3. Januar 2019))

Wer holt den Titel: Pep Guardiola (links) oder Jürgen Klopp?
(Bild: Dave Thompson/AP (Manchester, 3. Januar 2019))

Manchmal ist es gar nicht so leicht, Fan von Manchester City zu sein. Das Team dominiert zwar die Liga, gewinnt irgendwelche nationalen Pokalwettbewerbe – aber die grosse Sehnsucht der Anhänger gilt dem Champions-League-Titel. Ein unerfüllter Wunsch. Das Gefühl kennen die Liverpool-Fans. Ihre Mannschaft rockt zwar die Champions League. Doch was für die Reds wirklich zählt, ist der erste Meistertitel seit 1990. Aber der Fussballgott macht sich aus den Träumen der Fans beider Teams einen Spass. Liverpool steht im Final der Champions League. Und Manchester City hat sehr gute Karten, morgen die Liga zu gewinnen.

Manchester City (95 Punkte/91:22 Tore)/Brighton and Hove (A)

Es war ein seltsames Bild, Pep Guardiola so zu sehen. Normalerweise sprüht der Trainer von Manchester City nur so vor Energie – doch davon war in den Katakomben des Etihad Stadium am späten Montagabend nicht mehr viel zu sehen. Guardiola sass im Presseraum und starrte müde ins Leere. Seine Erschöpfung war geradezu greifbar. Und daran änderte auch nichts, dass seine Mannschaft gerade 1:0 gegen Leicester gewonnen hatte und nun nur noch einen Sieg zum erneuten Titelgewinn benötigt. 60 Pflichtspiele in einer Saison hinterlassen eben Spuren. Vor allem, wenn man den Fussball so obsessiv lebt wie der Spanier.

60 Spiele, die meisten davon hat ManCity gewonnen. Und trotzdem hängt der Erfolg einer ganzen Saison an zwei Partien. Am letzten Spieltag der Saison geht es gegen Brighton and Hove, in der Woche danach steht das FA-Cup-Final gegen Watford an. Für Manchester City geht es um alles. Oder nichts. Es ist auch dieser Druck, der Guardiola zu schaffen macht. Und von dem er glaubt, dass er vor allem auf den Spielern lastet. «Wir haben etwas zu verlieren, da wir Erster sind», sagt er, «Liverpool hat nichts mehr zu verlieren.»

Es ist anzunehmen, dass die Liverpooler trotzdem gerne tauschen würden. Denn Manchesters letzte Hürde zur Meisterschaft scheint nicht gerade unüberwindbar. Denn erstens steht Brighton & Hove auf Platz 17. Und zweitens hat City das, was man einen ziemlichen Lauf nennt. Von den letzten 13 Punktspielen wurden 13 gewonnen. «Das ist schon aussergewöhnlich, was die Mannschaft in der Rückrunde geleistet hat», findet Guardiola. Und er hat auch schon verraten, wie er die Sache morgen angehen wird: «Wir werden attackieren, attackieren, attackieren – um Champion zu werden.»

Es ist quasi das erste von noch zwei Finalspielen. Die darüber entscheiden werden, was es für eine Saison war. Eine erfolgreiche. Oder eine verschenkte. So nahe liegen die Dinge im Fussball manchmal eben nebeneinander. Auch noch nach 60 Spielen.

Liverpool FC (94 Punkte/87:22 Tore)/Wolverhampton (H)

Wahrscheinlich hoffen sie in Liverpool noch immer darauf, dass irgendwann ein lustiger Moderator auftaucht und ihnen erklärt, dass das mit den bisherigen 37 Spieltagen doch nur ein kleiner Scherz war. Sie haben die Liga ja irgendwie doch dominiert, nur ein einziges (!) Spiel verloren und 94 Punkte geholt. Ein Sieg morgen und sie kämen auf 97 Zähler. Mit Ausnahme der vergangenen Runde, als Manchester City 100 Punkte holte, hätte das in jedem Jahr für den Titel gereicht. Und wenn man weiss, wie sehr sich die Anhänger der Reds danach sehnen – dann weiss man, welch makaberer Scherz das Ganze ist.

Aber noch gibt es ein kleines Fünkchen Hoffnung auf ein sportliches Wunder. Und wenn sich ein Team mit Wundern auskennt, dann ja wohl Liverpool FC. Frag nach in Barcelona. Das Problem: Das Team von Trainer Jürgen Klopp kann die Sache nur noch bedingt beeinflussen. Selbst wenn es Wolverhampton überrennt, muss es auf Schützenhilfe von Brighton and Hove gegen Manchester City hoffen. «Wir machen alles, was in unserer Macht steht», sagt Klopp, «mehr können wir nicht tun.» Und: «Ob wir Meister werden oder nicht – das ist Schicksal.»

Die BBC-Experten jedenfalls verfolgen den Showdown am Sonntag mit Kopfschütteln: «Es ist ein Jammer, dass entweder Liverpool oder Manchester City nach so einer überragenden Saison leer ausgehen wird.»

Nun ja, das müsste ja nicht zwingend sein. Liverpool könnte am Ende immerhin noch die Champions League gewinnen. Für viele Fans wäre das aber wahrscheinlich nur ein Trostpflaster. Schon verrückt, was für Geschichten der Fussball schreibt.