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Nach einer ereignisarmen, bescheidenen ersten Halbzeit dreht die Schweiz nach der Pause gegen Irland auf. Schär belohnt die Bemühungen mit dem herrlich herausgespielten Führungstreffer in der 74. Minute. Kurz vor Schluss gleicht aber McGoldrick aus und verwehrt damit den Schweizern den Sieg.
«You’ll never beat the Irish», steht auf einer Tafel in den Katakomben des Aviva-Stadions in Dublin. «Du wirst die Iren nie besiegen.» Es soll dem Gegner wohl etwas Furcht einflössen. Und genau das gelingt. Die Schweiz findet in ihrem dritten EM-Qualifikationsspiel keinen Weg zum Sieg. Zwar sieht es kurzzeitig so aus, dank des wunderbar herausgespielten Treffers in der 74. Minute von Fabian Schär nach direktem Kombinationsspiel über fünf Stationen.
Doch weil am Ende schlecht verteidigt, Kevin Mbabu den Ball an der Seitenlinie dumm verliert und Manuel Akanji im Kopfballduell gegen David McGoldrich den Kürzeren zieht, kommen die Iren zum 1:1. Der Ausgleich ist nicht unverdient, wenngleich er einer knappen Abseitsposition entspringt und bei einem Einsatz des Video-Schiedsrichters, auf den die Uefa in der EM-Qualifikation verzichtet, nicht gezählt hätte.
Das Fazit nach dem enttäuschenden Unentschieden: Die Schweiz besteht den Charaktertest nicht. Wie gegen Dänemark wird der Sieg nach einem Vorsprung verspielt. Der Rückstand in der Tabelle auf Irland beträgt weiterhin sechs Punkte, jener auf Dänemark drei.
Der Schweizer Auftritt ist mit Spannung erwartet worden, weil es derzeit einige hausgemachte Probleme zu bekämpfen gilt. Und man hat sich gefragt, ob das alles spurlos an ihr vorübergeht, sie mental genug Stärke hat und das proklamierte «Wir-Gefühl» tatsächlich vorhanden ist.
Reaktionen Wie denken nach diesem 1:1 in Irland? Nachdem wie schon gegen Dänemark erneut in den letzten Minuten der Sieg vergeben wurde. Torschütze Fabian Schär sagt: «Mein Tor war zwar schön, aber ich hätte lieber die drei Punkte nach Hause genommen.» Besonders ärgert ihn, natürlich, das Gegentor. «Wir dürfen den Ball nicht verlieren. Das ist dumm von uns.»
Captain Granit Xhaka hat trotz des 1:1 einige gute Dinge gesehen. «Wir haben viele Sachen richtig gemacht. Wir waren über 90 Minuten klar die bessere Mannschaft. Wenn ich bei den Iren wäre, würde ich mich auch sehr über den Punkt freuen.» Torhüter Yann Sommer sagt: «Ich finde, wir hätten die Möglichkeiten gehabt, das Spiel früher zu entscheiden. Wir brauchten viel Geduld, hatten wenig Räume. Nach der Führung hätten wir mehr Ruhe ins Spiel bringen müssen.»
Nationaltrainer Vladimir Petkovic schliesslich sagt: «Wir hatten den Willen, den Gegner zu dominieren. Und manchmal waren wir fast überheblich.» Den Auftritt gestern korrigieren können die Schweizer ein erstes Mal am Sonntag. Dann empfängt sie Gibraltar, das gestern gegen Dänemark beim 0:6 chancenlos war. (ewu)
Dabei gelingt der Schweiz der Start in die Partie noch. Das Team von Vladimir Petkovic hat sofort ein optisches und vor allem spielerisches Übergewicht, dass schnell einmal der Gedanke aufkommt: Auch ohne den Kreativgeist Xherdan Shaqiri, dessen Absage aus freien Stücken im Vorfeld für viel Polemik gesorgt hat, sollte dieser technisch limitierte Gegner zu bezwingen sein.
Doch dann, in der 13. Minute, tauchen die Iren dank ihrer Konterstärke plötzlich gefährlich vor Yann Sommer auf – Schlimmeres kann Kevin Mbabu mit einem riskanten Tackling im Sechzehner verhindern.
Es ist ein erstes Signal, dass sie im heimischen Aviva-Stadion mutiger werden, das zweite gibt der euphorische Anhang, der jede gelungene Aktion lautstark bejubelt. Langsam beginnt man zu spüren, dass die Iren, mit zehn Punkten aus vier Spielen gut in die Kampagne gestartet, einen Lauf haben. Und diesen sich mit viel Kampf und Herz bewahren wollen. Die Schweizer indes bauen ab, es fehlt der Spielfluss, die Ideen, die Spannung. Und eben doch: Es fehlt Shaqiri, der aus der Ferne via Twitter Glück wünscht.
Remo Freuler verwirft bald einmal die Hände, weil Ricardo Rodriguez ihn nicht sieht, Pässe kommen nicht an, Flanken ebenfalls nicht. Die Körpersprache der Schweizer ist nicht gut, sie wirken statisch, in einer Lethargie gefangen, Erinnerungen an den WM-Achtelfinal 2018 gegen die Schweden kommen auf. Wie damals fehlt ein Weckruf, den der derzeit nicht mehr aufgebotene Leithammel Stephan Lichtsteiner früher geben konnte.
Kurzum: Es ist eine erste Halbzeit, die die Schlussphase des Dänemark-Spiels mit drei Gegentoren nicht im Ansatz vergessen machen kann. Zudem hat die Schweiz noch grosses Glück, als Rodriguez kurz vor der Pause den Ball verliert, McGoldricks Hereingabe den völlig freistehenden Mitspieler aber nicht findet.
In der zweiten Halbzeit wirken die Schweizer bemühter, sind aber nicht viel besser, weswegen die Diskussionen um die Mannschaft nicht kleiner werden. Als Breel Embolo nach einer Stunde Spielzeit aus aussichtsreicher Position hinfällt, bleibt für das spielerische Urteil nur Kopfschütteln.
Und doch ist dieser Hinfaller in einer Hinsicht gut, weil die Schweiz nun mehr Einsatzwillen zeigt. Und weil es Schär in der Dreierkette jetzt nicht mehr hinten hält. Sein Treffer weckt dann aber die Iren, die nach dem 1:1 noch an den Sieg glauben. Das wäre dann aber doch zu viel des Guten gewesen.
Irland - Schweiz 1:1 (0:0)
Dublin. - 40'000 Zuschauer. - SR Del Cerro Grande (ESP). - Tore: 74. Schär (Embolo) 0:1. 85. McGoldrick (McClean) 1:1.
Irland: Randolph; Coleman, Duffy, Keogh, Stevens; Whelan, Hourihane (82. Hogan); Robinson (58. Judge), Hendrick, McClean; McGoldrick (92. Browne).
Schweiz: Sommer; Elvedi, Schär, Akanji; Xhaka; Mbabu (94. Fernandes), Zakaria, Freuler (90. Mehmedi), Rodriguez; Embolo (86. Ajeti), Seferovic.
Bemerkungen: Irland ohne Doherty, Maguire und Westwood (verletzt), Schweiz ohne Drmic, Lang, Lichtsteiner, Shaqiri (nicht im Aufgebot), Klose, Sow und Zuber (verletzt). 85. Lattenschuss Whelan. Verwarnungen: 15. Stevens (Foul). 76. Mbabu (Foul). 91. Judge (Foul). 97. Schär (Unsportlichkeit). 97. Browne (Unsportlichkeit).