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Der kriselnde FC Liverpool kämpft am Sonntag (17.30 Uhr) gegen Manchester City um die letzte Chance, in der Premier League seinen Meistertitel zu verteidigen. Der gefeierte Trainer Jürgen Klopp wirkt indes etwas ratlos.
Neigt sich die Ära von Jürgen Klopp beim FC Liverpool dem Ende zu?
Noch vor wenigen Wochen wäre ein Ketzer gewesen, der diese Frage gestellt hätte. Doch seit Mittwochabend und der Heimniederlage in der Premier League gegen den Schwanzklub Brighton ist sie kein Tabu mehr. Zumindest bei den Boulevardblättern nicht, die Parallelen zu Klopps siebenter und letzter Saison bei Dortmund sehen wollen. Damals stand der BVB an Heiligabend auf einem Abstiegsplatz und erweckte den Eindruck, als habe sein Trainer, ein Grossmeister der Motivation, die Zitrone vollends ausgepresst.
Jetzt ist der Deutsche in seiner sechsten Saison bei den Reds zwar weit vom Abstiegskampf entfernt, doch der zweifache Welttrainer des Jahres wirkt gerade ziemlich ratlos. «Wir waren nicht frisch, geistig müde und hatten schwere Beine», sagte Klopp nach der schwachen (auch von Xherdan Shaqiri) Vorstellung beim 0:1 gegen Brighton. «Es ist lange her, dass wir so ausgesehen haben.» Vor einem Jahr hätten seine Mentalitätsmonster ein solches Spiel noch gedreht. Doch jetzt sind sie schlapp und überspielt. Die Ligastatistik weist einen einzigen Torschuss aus.
Der Absturz der Liverpooler ist frappant. Nach einem 7:0-Auswärtssieg gegen Crystal Palace hatten sie Weihnachten noch mit vier Zählern Vorsprung auf Leicester gefeiert, danach aber in fünf Spielen nur noch drei Punkte geholt, dabei vier Mal in Folge kein Tor geschossen und gegen Burnley nach 68 Partien erstmals ein Heimspiel verloren. 33 hochkarätige Chancen in diesen Spielen reichten zu einem einzigen Törchen. Dazu kam noch das Out im FA-Cup bei Manchester United (2:3).
Als Klopps Mannschaft dann aber Ende Januar in London zwei 3:1-Siege gegen Tottenham und West Ham gelangen, schien die Krise überwunden und das Gastspiel von Leader Manchester City am nächsten Sonntag an Anfield gerade recht zu kommen. Doch nach dem Rückschlag gegen die Seagulls beträgt der Rückstand, bei einem Mehrspiel, sieben Punkte.
«Der Abstand ist gross», sagt der dünnhäutig gewordene und sich auch mit Trainerkollegen zoffende Klopp, «aber ich muss ja sagen: Oh mein Gott, klar wollen wir Meister werden.» Verteidiger Robertson sagt indes: «Es sieht so aus, als seien wir raus aus dem Titelrennen.»
Besiegt der FC Liverpool aber den Leader, besteht noch eine kleine Chance auf die Titelverteidigung; es sind ja erst zwei Drittel der Saison absolviert. Ansonsten muss er sich auf die Qualifikation für die Champions League 21/22 konzentrieren. In der aktuellen Auflage trifft er im Achtelfinal auf RB Leipzig. Allerdings lässt Deutschland den Liverpool-Tross Mitte Februar nicht einreisen; die britische Mutante des Coronavirus könnte dabei sein - Alexander-Arnold, Mané, Salah und Thiago hatten Covid-19 schon. Die Leipziger suchen noch nach einer Lösung.
Die Frage, weshalb der Meister im Vergleich zur letzten Saison – nach 22 Spielen hat er 24 Punkte weniger und elf Gegentore mehr auf dem Konto – so schlecht dasteht, lässt sich zum Teil mit den Geschehnissen des 17. Oktober 2020 beantworten. An jenem Nachmittag fügte mit einem hässlichen Foul Evertons Goalie Jordan Pickford dem Liverpooler Abwehrchef Virgil van Dijk einen Kreuzbandriss zu. Von Klopp drei Jahre zuvor für knapp 85 Millionen Euro von Southampton geholt, war der Holländer einer der wichtigsten Bausteine für den Gewinn der Champions League 2019 und des Meistertitels 2020 gewesen.
Dass seit November mit Nationalspieler Joe Gomez nach einer Operation an der Patellasehne ein zweiter Innenverteidiger langfristig ausfällt und seit Ende Januar mit Joel Matip ein dritter, macht die Sache noch bitterer. Weil Klopp immer wieder die wichtigen Mittelfeldspieler Fabinho und Jordan Henderson in die Abwehr zurücknehmen musste, hat sich die Statik des Liverpooler Spiels verändert und sehr negativ auf den einst so treffsicheren Dreizack Salah-Firmino/Mané ausgewirkt.
Wie verzweifelt die Liverpooler, die wegen der Pandemie mit einem Verlust von 100 Millionen Euro rechnen, sind, zeigt die Verpflichtung des Türken Ozan Kabak, der beim FC Schalke 04 wenig überzeugt hat. Gut möglich ist jedoch, dass der 20-Jährige in der Not schon gegen «City» ran muss. Diese ist in Topform und hat die 13 letzten Pflichtspiele alle gewonnen.