Männer dominieren das Sport-Business: Warum Frauen der Branche gut tun

Im Vergleich zur Privatwirtschaft ist die Führungsetage im Spitzensport ein Männerrefugium. Weshalb sich dies ändern müsste.

Thomas Renggli
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«Die Zukunft des Fussballs ist weiblich.» Die Behauptung stammt vom früheren Fifa-Präsidenten Sepp Blatter und geht in die 1980er-Jahre zurück. Der Walliser lag nicht falsch. Der Frauenfussball hat sich weltweit durch alle Kulturen, Ethnien und Altersklassen etabliert. Heute spielen rund 40 Millionen Mädchen und Frauen Fussball. Blickt man aber in die Spitzengremien der Fifa-Mitglieder­verbände, muss Blatters Aussage stark relativiert werden. Von den 211 National­verbänden, die den Weltverband aus­machen, werden nur zwei von Präsidentinnen angeführt – und die liegen eher auf der sportlichen Schattenseite des Fussballglobus: die Turks and Caicos Islands Football Association von Sonia Bien-Aime sowie die Föderation von Sierra Leone von Isha Johansen.

Tatjana Haenni, die langjährige Präsidentin der FCZ-Frauen, ist seit Anfang Jahr als Ressortleiterin Frauenfussball im Schweizer Verband tätig. Während 18 Jahren arbeitete sie für die Fifa, zuletzt als Direktorin für Frauenwettbewerbe. Sie bezeichnet den Fussball als generell wenig «frauenfreundlich».

Tatjana Haenni. (Bild: Marc Schumacher/freshfocus)

Tatjana Haenni. (Bild: Marc Schumacher/freshfocus)

In ihrer Fifa-Zeit habe man sie zwar immer mitreden lassen und ihr auch zugehört: «Doch unterschwellig wurde ich oft belächelt. In den Gremien und Netzwerken, wo Entscheidungen gefällt werden, war ich nicht vertreten.» Diese Haltung spiegle grundsätzlich die Schwierigkeiten für Frauen, im Spitzensport in Führungsgremien zu kommen:

«Im Schweizerischen Fussballverband ist in keiner Kommission eine Frau vertreten.»

Dabei wären es in Haennis Augen die Verbände, die die Basis zur Gleichberechtigung legen, Türen öffnen und eine Vorreiterrolle spielen müssten. Die ehemalige Nationalspielerin spricht von einem «Machoklima», das viele Frauen abschrecke.

Am Schluss entscheidet der Mann

Bezeichnenderweise setzte in dieser Beziehung ausgerechnet die Fifa zuletzt ein zwiespältiges Zeichen. Zwar fungiert erstmals in der 115-jährigen Geschichte des Verbandes eine Frau – die Senegalesin Fatma Samoura – als Generalsekretärin in der operativen Verantwortung.

Fatma Samoura. (Bild: Claudio Villa/FIFA via Getty Images)

Fatma Samoura. (Bild: Claudio Villa/FIFA via Getty Images)

Doch im Tagesgeschäft wird man den Verdacht nicht los, dass die Einsetzung der branchenfremden früheren UNO-Diplomatin vor allem politisch motiviert war. Als afrikanische Frau vertritt sie gleich zwei Minoritäten in der Führung. Faktisch hat – entgegen den Statuten – Präsident Gianni Infantino auch in der Geschäftsleitung das letzte Wort.

Als einzige Frau hatte sich Monisha Kaltenborn in einem stark männlich geprägten Umfeld zu behaupten. Die Österreicherin mit indischen Wurzeln war zwischen 2001 und 2017 in führender Position beim Sauber-Rennstall in der Formel 1 tätig – zuletzt als erste Rennchefin in der Motorsport-Topliga. Letztere wird in den Medien auch Königsklasse genannt – nicht Königinnenklasse. Kaltenborn vertritt die Meinung, dass Frauen und Männer in Führungspositionen vor denselben Schwierigkeiten stehen:

«Sie müssen in einem nicht immer einfachen Umfeld die Grundlage dafür schaffen, dass der sportliche Erfolg eintritt.»
Monisha Kaltenborn. (Bild: EPA/FRANCK ROBICHON)

Monisha Kaltenborn. (Bild: EPA/FRANCK ROBICHON)

Allerdings sei es für Frauen in «männerdominierten» Sportarten schwieriger, überhaupt in eine Führungsposition zu kommen. Dabei spielen die Öffentlichkeit und Medien eine nicht zu unterschätzende Rolle: «Frauen werden durchaus kritischer beäugt als Männer. Aber das ist nach meinem Eindruck auch in anderen Wirtschaftsbereichen und der Politik noch so», sagt Kaltenborn.

Sie hatte zu Beginn mit Vorurteilen zu kämpfen

Die bekannteste Frau im Schweizer Fussballgeschäft heisst Heliane Canepa. Die Ehefrau von FCZ-Präsident Ancillo Canepa blickt auf eine erfolgreiche Karriere in der Privatwirtschaft zurück. Sie war CEO des schweizerisch-schwedischen Zahnimplantatherstellers Nobel Biocare und wurde mehrfach zur Schweizer Managerin des Jahres gewählt. Die «Financial Times» führte sie in der Liste der einflussreichsten europäischen Geschäftsfrauen auf Platz 6 ein. Beim FC Zürich ist sie als Delegierte des Verwaltungsrats in alle wichtigen Entscheide involviert. Während ihrem Mann der Ruf vorauseilt, zuweilen mit dem Herzen zu entscheiden, gilt sie als unternehmerisches Gewissen des Vereins: «Sie ist herzlich im Umgang, aber knallhart in ihren Entscheiden», sagt ein früherer Angestellter über sie.

Dass im Sport fast keine Frauen in Führungspositionen zu finden sind, ist für Heliane Canepa systembedingt:

«Der Sport ist mit all seinen Regeln und Ritualen tendenziell eher eine konservative Gesellschaft.»

Auch deshalb sei der Frauenanteil im Sport im Vergleich zur Privatwirtschaft bedeutend kleiner. Grundsätzlich gelten aber dieselben Herausforderungen für Männer und Frauen: «Führungs- und Fachkompetenz hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.» Canepa räumt allerdings ein, dass sie zu Beginn ihrer Berufslaufbahn durchaus gegen Vorurteile kämpfen musste: «Man traute mir Umsetzungs- und Durchsetzungskraft nur bedingt zu.» Der Geschäftsgang habe aber Missverständnisse aus dem Weg geräumt: «Die Zahlen stimmten schnell», sagt Canepa lächelnd. Prinzipiell bezeichnet sie – in der Privatwirtschaft wie im Sport – geschlechterübergreifende Führungsstrukturen als förderlich für die Gesprächs- und Umsetzungsstruktur.

Ancillo Canepa und Heliane Canepa (von links). (Bild: KEYSTONE/Melanie Duchene)

Ancillo Canepa und Heliane Canepa (von links). (Bild: KEYSTONE/Melanie Duchene)

Während Heliane Canepa im Hintergrund operiert und die Bühne ihrem Ehemann überlässt, steht beim FC Vaduz eine Frau in der ersten Reihe: Präsidentin Ruth Ospelt. Die Laufbahn der Liechtensteinerin steht ziemlich quer in der Fussballlandschaft. Ospelt fungierte als Gruppenleiterin beim österreichischen Kristallglashersteller Swarovski. Mit 35 Jahren kündigte sie die Stelle, packte den Rucksack und reiste zwölf Monate durch Zentralamerika. Sie lernte Spanisch und erlebte Menschen, die auch ohne Besitz und Einkommen über die Runden kommen.

Diese Erfahrung bezeichnet sie als gute Vorbereitung auf ihr Geschäft im Fussball – wo man gerade als Frau lernen müsse, die Ellbogen auszufahren. Im wertkonservativen Umfeld Liechtensteins gilt dies in verschärftem Masse. Dass Ospelt beim FC Vaduz landete, war auch dem Zufall geschuldet. Als sie einen Job suchte, war auf der Geschäftsstelle der Posten der Sekretärin des Vereins frei. Es war der Ausgangspunkt einer bemerkenswerten Karriere. Ospelt wurde Präsidentin einer Supporter-Vereinigung, dann Vizepräsidentin des Klubs und vor vier Jahren schliesslich Präsidentin. Zur Rolle als Frau in dieser Männerdomäne sagte sie: «Am Anfang gehen alle davon aus, dass du von Tuten und Blasen keine Ahnung hast.» Das Vertrauen musste sie sich erarbeiten:

«Mit stillem und lösungsorientiertem Schaffen.»
Ruth Ospelt. (Bild: KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Ruth Ospelt. (Bild: KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Grundsätzlich machte Ospelt die Erfahrung, dass sich mehr Männer Frauen im Geschäft wünschen. Der Erfolg gibt der gelernten Keramikmalerin recht. Unter ihrer Führung hat sich der FC Vaduz zu einer der stabilsten Adressen im hiesigen Profifussball etabliert. Im rauen Klima der Challenge League, wo bei vielen Vereinen die wirtschaftlichen Pro­bleme weit grösser sind als die sportlichen Möglichkeiten, ist dies eine starke Referenz. Um als Frau im oft ruppigen Fussballgeschäft angehört zu werden, habe es aber viel Durchhaltevermögen und Geduld gebraucht, sagt Ospelt.

Die Vorurteile der Medien

Gegen geschlechterspezifische Stereo­typen musste auch Monisha Kaltenborn bei ihrem Einstieg in der Formel 1 kämpfen. Das grösste Vorurteil, dem sie in den Schweizer Medien ausgesetzt gewesen sei, habe gelautet: «Als Juristin verfügt sie nicht über genügend Benzin im Blut – damit müsse ihr wohl auch die Rennleidenschaft fehlen.» Kaltenborn liefert ein Beispiel, wie sie als Frau anders behandelt wurde als ein Mann in gleicher Position: «Der frühere Ferrari-Chef Luca di Montezemolo war ebenfalls Jurist. Er aber wurde in der Motorsportpresse schon fast ehrfürchtig ‹Avvocato› genannt.» Die Medien spielen für sie in dieser Diskussion eine zentrale Rolle: «Ich glaube, dass Entscheidungen, die von Männern getroffen werden, oft weniger hinterfragt und kritisiert werden. Manche Journalisten treiben lieber eine Kuh durchs Dorf als einen Ochsen.»

Kaltenborn denkt, dass die weibliche Intuition den Sport auch auf Führungsebene weiterbringen könnte: «Frauen haben im zwischenmenschlichen Bereich oft mehr Gespür und Geschick», sagt sie. Die Österreicherin ist der Meinung, dass Frauen in kritischen Situationen eher unaufgeregt und ausgeglichen wirken können. Die pragmatische Herangehensweise von Frauen sei im Sport hilfreich und wichtig: «Deshalb sollte sie auch genutzt werden.» Gleichzeitig machte Kaltenborn die Erfahrung, dass Frauen gerade in emotionalen Momenten oft mit kühlerem Kopf handeln. Speziell im oft von Gefühlsausbrüchen diktierten Sportgeschäft seien Frauen besser in der Lage, die Emotionen auszublenden und so pragmatischer und überlegter an die Lösungsfindung heranzugehen. Sie liefert ein Beispiel: «Es dürfte nur wenige Frauen geben, die mit peinlichen Gesten über den Sportplatz laufen oder gar Journalisten attackieren würden.»

Heliane Canepa sieht den Vorteil von «Frauenarbeit» fürs Sportmanagement auch aus anderer Perspektive: Weil es für Frauen in allen Führungsbereichen schwieriger sei, nach oben zu kommen, seien die Frauen, die es letztlich schaffen, oft besser als die Männer. Während für die frühere Fifa-Mitarbeiterin Haenni die frauendiffamierenden Sprüche einiger ihrer männlichen Kollegen zur schlechten Gewohnheit gehörten («das war oft peinlich»), relativieren Kaltenborn und Canepa die «Machokultur». Kaltenborn sagt: «Gerade im Rennsport gibt es zunehmend talentierte junge Fahrerinnen, die sich immer mehr durchsetzen.» Eine solche Entwicklung sei auch in anderen Sportarten zu beobachten: «Schauen Sie sich den Frauenfussball an, der heute endlich auch medial einen grösseren Stellenwert besitzt.» Hier werde Spitzensport ohne Machokultur betrieben. Heliane Canepa pflichtet ihr bei und sagt: «Ich spüre sehr viel Respekt und gute Umgangs­formen.»

In einem Punkt sind sich alle Befragten einig: Mehr Frauen in den Führungsgremien könnten die Sportwelt verbessern. Doch die Impulse zu dieser Entwicklung müssen von den grossen Verbänden (und damit von den Männern) kommen: «Man muss die Frauen abholen», sagt Ruth Ospelt, «für meinen Vorgänger war klar, dass ich das Amt der Vizepräsidentin übernehmen soll.» Kollegin Canepa denkt aber, dass es auch in den Händen der Frauen liege: «Es hängt immer von der individuellen Konstellation ab.»

Nicht das Geschlecht, sondern der Erfolg zählt

Für die Zukunft wünscht sich Kaltenborn eine Sportwelt «mit vielen erfolgreichen Sportlerinnen und weiblichen Führungskräften, die allesamt Vorbildfunktion für Mädchen haben. Keine Frau sollte aufgrund ihres Geschlechts gehindert sein, einen bestimmten Weg im Sport oder anderswo gehen zu können.» Dann sei es auch obsolet, von der «Frauensache» zu sprechen. Frau oder Mann? Der Weg zur geschlechterübergreifenden Chancengleichheit im Spitzensport ist noch weit – auch, weil sich weniger Frauen auf Führungspositionen bewerben. Doch letztlich gilt auch in dieser Frage ein simpler Massstab. Weiblich oder männlich spielt in der entscheidenden Bestandsaufnahme keine Rolle – es geht immer um Erfolg oder Misserfolg.