Am Samstag findet in Crans-Montana die Abfahrt der Frauen statt. Lara Gut erklärt ihre Taktik im Duell mit Lindsey Vonn.
Lara Gut: Siege sind immer schön. Aber dass für mich der eine schöner als der andere wäre, könnte ich nicht sagen. Wahrscheinlich sind gewisse Siege wie jener zuletzt in Garmisch schön für das Publikum, weil ich am Tag zuvor nicht gut gefahren bin. Für mich war es vielmehr eine Bestätigung: Wenn ich fahre, wie ich kann, bin ich schnell. Sonst habe ich keine Chance.
Wenn man fast alle Disziplinen fährt, ist das der beste Weg. Man kann nach einem Sieg gross feiern und so riskieren, dass es der letzte der Saison ist. Wenn man aber weiter schnell fahren möchte, ist es besser, auf dem Boden zu bleiben und sich gut zu erholen.
(Lacht). Das war mein ultimatives Ziel. Das habe ich Sonja Nef in Sölden gesagt. Ich werde nicht locker lassen, bis ich sie eingeholt habe. Jetzt kann ich ja aufhören ...
Es ist lustig. Man kann Statistiken immer drehen und neue Rekorde erfinden. In Maribor sagte man mir: Wenn du den «Riesen» gewinnst, bist du die Erste nach Sonja, die dreimal hintereinander siegt. Mal ist man die Jüngste, mal die Älteste, mal zwischendurch. Am besten ist: Man fährt einfach Ski. Und wenn am Ziel grün aufleuchtet, bin ich zufrieden.
Das ist typisch amerikanisch. In Amerika liebt man Rekorde, in allen Sportarten. Wenn man Football betrachtet, gibt es für alles Rekorde. Diese haben einen hohen Stellenwert. Der Skisport lebt von der Attraktion. Es gab immer Super-Athleten aus der Schweiz, sei es Bernhard Russi, Vreni Schneider oder Sonja Nef. Aber sie hatten andere Kalender, zum Teil noch keinen Super-G. Jeder Sportler lebt in seiner eigenen Ära. Man sollte nicht immer Vergleiche ziehen mit der Vergangenheit.
Keine Ahnung, aber es ist eine schöne Statistik. Doris de Agostini und Michela Figini waren wahnsinnige Athletinnen. Es freut mich, dass ich den gleichen Weg einschlagen konnte. Und mit Bea Scalvedi (Europacupsiegerin in Davos und jetzt an den Junioren-WM; die Red.) folgt eine weitere.
Am Start will man immer von Neuem das Beste geben. Wenn man seine beste Saison hatte, versucht man im nächsten Jahr, nochmals einen Schritt vorwärts-zumachen. Wenn man schlecht fährt, ist es viel einfacher, besser zu werden. Wenn man aber schon gut fährt, ist das Noch-besser-Werden umso schwieriger. Es war cool, was ich – notabene nach einem Skiwechsel – bis jetzt erreichen konnte. Ich möchte nicht von einer Zugabe sprechen, sondern eher von noch mehr.
Das ist so: Es ist mir wichtiger, bei jedem Rennen schnell zu sein. Jetzt kommen die Wettkämpfe in Crans-Montana, La Thuile und Soldeu auf geilen Hängen. Da möchte ich einfach nur schnell fahren.
Schön!
Man hat es doch gesehen in Garmisch. Ich habe nichts gerechnet, nichts gedacht und bin einfach gefahren – und habe gewonnen. So funktioniert es am besten.
Ich fahre einfach. Im Skisport ist es schwierig, taktisch zu fahren. Es ist nicht wie in der Formel 1. Dort sieht man, wo die andern stehen. Wenn es regnet, kann ich das Tempo verlangsamen, wenn die andern genügend Rückstand aufweisen. Im Skisport siehst du nur im Ziel, wo du stehst. Bei mir läuft es am besten, wenn ich fahre und nicht überlege und nicht links oder rechts schaue, weder auf Lindsey noch auf das Weltcup-Klassement.
Vieles deutet heute in der Abfahrt in Crans-Montana auf einen Zwei- oder Dreikampf Lindsey Vonn gegen die Schweiz hin. Fabienne Suter fuhr gestern im Training Bestzeit: 0,08 Sekunden vor Lara Gut und 0,30 vor Lindsey Vonn, die damit hinter den beiden Aussenseiterinnen Laurenne Ross (USA) Sabrina Maier (Ö, Nr. 39!) den 5. Platz belegte. «Ich kämpfe nicht gegen die Schweiz», sagte Weltcup-Gesamtleaderin Vonn, «sondern gegen den Berg. Ich habe die Strecke noch nicht 100-prozentig im Griff. Sie verlangt ein gutes Timing. Es hat einige knifflige Stellen drin und es wird schwierig, zu gewinnen.» Nach zwei Siegen in Crans-Montana auf der alten Strecke ist für Vonn die anspruchsvolle Mont-Lachaux-Piste Neuland. Bei
der Premiere 2014 war sie verletzt.
Auch Lara Gut hat auf dieser Piste noch kein Resultat vorzuweisen. Nach Bestzeit im Training schied sie im Rennen 2014 aus und verletzte sich am Meniskus. Ein Handicap? «Das wären billige Ausreden, wenn Lindsey sagen würde, sie sei da noch nie gefahren oder ich den damaligen Sturz als Handicap aufführen würde. Wir sind Profis und stehen täglich auf den Ski», sagte Gut. Vonn verlor im Mittelteil 0,74 Sekunden auf Gut, die Tessinerin im zweitobersten Abschnitt dafür 1,40 auf Suter und diese wiederum im zweitletzten Abschnitt 0,76 auf Gut. Trotz diesen gewaltigen Differenzen unterwegs lag das Top-Trio am Schluss nur drei Zehntel auseinander. «Ohne Fehler wird da keine runterkommen», ist Suter überzeugt, «aber man darf nicht zu sehr im Kakao rumfahren. Entscheidend wird sein, wer mutig fährt und die Fehler
im Rahmen hält.» Fabienne Suter liebt solche Strecken, wo Fehler gestattet oder sogar unvermeidlich sind.