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Lockerer Auftaktsieg gegen den Japaner Yuichi Sugita – Roger Federer und Halle, das funktioniert: Bei keinem Turnier hat der Baselbieter öfter gewonnen. Doch macht man sich zu abhängig von ihm?
Roger Federer kann wirklich nicht übers Wasser gehen. Man ist aber fast versucht, es zu glauben, wenn Jahr für Jahr die Zuschauermassen in die idyllische Provinz von Ostwestfalen unweit von Bielefeld pilgern, um ihren «Tennis-Messias» aus der Schweiz zu bestaunen. 100 000 Fans waren es allein im vergangenen Jahr. Und schon auf der langen Zufahrtsstrasse zur Arena lächelt der 18-malige Grand-Slam-Champion von allen Fahnen und Plakaten – und natürlich trägt die Strasse selbst sogar seinen Namen: Roger Federer-Allee.
Zehn Mal stand der vierfache Familienvater seit 2003 in Halle schon im Final, acht Trophäen nahm er mit nach Hause. Bei keinem Event hat Federer öfter gewonnen (siebenmal jeweils in Wimbledon, Basel, Cincinnati und Dubai). Es ist sein Turnier, darum nennen es die Deutschen längst die «Federer-Festspiele».
Keiner hat die Gerry-Weber-Open so geprägt wie der Schweizer, und das nicht allein wegen der sportlichen Erfolge: Roger Federer wirkt sympathisch, authentisch, familiär. Er ist ein Weltstar und doch irgendwie nahbar. Damit ist Federer das ideale Aushängeschild für Turniere, um ihre Veranstaltung zu promoten. Auch im westfälischen Halle profitiert man seit mehr als einem Jahrzehnt von der Strahlkraft des Schweizers. Und der füllt seine Botschafter-Rolle auf und abseits des Rasens wieder einmal perfekt aus. «Zwischen den grossen Events in Paris und London ist das hier eine Oase, um sich zu finden», schwärmte Federer und gewann danach souverän seine Auftaktpartie gegen den Japaner Yuichi Sugita (ATP 66) mit 6:3, 6:1 in nur 51 Minuten.
«Ich habe ihn fast noch nie richtig spielen sehen, von daher bin ich sehr froh, wie ich gespielt habe.» Sein eigentlicher Gegner, der Taiwanese Yen-Hsun Lu, zog sich erst am Vormittag mit einer Oberarm-Verletzung zurück. Doch auch der kurzfristige Wechsel vermochte Federer nicht aus dem Konzept zu bringen, und so feierte er gestern seinen 1100. Karrieresieg. Turnierdirektor Ralf Weber durfte aufatmen, sein Zugpferd bleibt im Rennen. Denn besonders beim 25. Jubiläum des Events soll nichts schiefgehen.
Doch bei aller Frische – ewig wird Federer nicht mehr spielen. Und dann wird sich zeigen: Hat man sich in Halle zu abhängig vom Baselbieter gemacht? «Viele beneiden uns um diese aussergewöhnliche Verbindung zu Roger», sagt Weber, der mit Federer 2010 einen Vertrag auf Lebenszeit – also für die Zeit seiner aktiven Karriere – abschloss, «er hat das Turnier wie kein anderer geprägt, aber die Wachablösung wird irgendwann anstehen. Das ist der Lauf der Dinge.»
Eine neue Galionsfigur wird Halle jedoch auf Anhieb nicht finden, der jungen Generation um den Österreicher Dominic Thiem, Australiens Rebell Nick Kyrgios oder auch die deutsche Nummer eins Alexander Zverev fehlen noch die Konstanz, die grossen Erfolge und eine etwas reifere Persönlichkeit. Weber glaubt jedoch, dass ein neuer Federer gar nicht nötig wäre, um die Fanmassen weiter anzulocken. Das Turnier sei fast ein Selbstläufer.
«Wir haben ein stimmiges Gesamtpaket», sagt Ralf Weber stolz. Sein Vater Gerhard Weber hatte vor 25 Jahren den richtigen Riecher für den Standort des Turniers mitten in der ostwestfälischen Provinz: So strömen aus dem gesamten Umkreis die Zuschauer ins Stadion, denn Unterhaltung wird in der Gegend sonst kaum geboten. Die Gerry-Weber-Open haben dagegen beinahe Volksfest-Charakter. Gastronomie, VIP-Bereich, das Rahmenprogramm – alles ist perfekt organisiert und weit umfangreicher als bei vielen anderen Turnieren. Im Vorfeld spielte die Weltranglistenerste Angelique Kerber ein Show-Doppel, dazu sind tägliche Auftritte bekannter Musik-Acts im Eintrittspreis enthalten.
Das kommt auch bei den Sponsoren gut an, von denen Weber zahlreiche gewinnen konnte. So ist nicht nur seine Mode-AG Kostenträger des seit dem Vorjahr um eine Million Euro gestiegenen Preisgeldes, das seit der Aufwertung zum 500er-Turnier im Jahr 2015 auf 1,8 Millionen Euro aufgestockt wurde. Durch den überdachten Centre-Court ist man zudem wetterunabhängig und den konkurrierenden Rasen-Turnieren weit voraus.
«Sie haben hier jetzt noch mehr investiert in die Anlage», betonte Federer begeistert, «es wird immer noch professioneller, Jahr für Jahr. Man glaubt es kaum.» Doch das Volksfest allein wird das Turnier dauerhaft nicht attraktiv machen. Also plant Weber mit dem Schweizer die Zukunft: Federer soll Halle als Repräsentant auch nach dem Karriereende erhalten bleiben. Mit Schaukämpfen, Charity-Aktionen, Promotion. «Roger ist da für vieles offen, habe ich den Eindruck», sagt Weber. Er muss es hoffen, damit die Federer-Festspiele noch lange weitergehen.