Olympische Spiele
Gewehrschützin Nina Christen sorgt mit Bronze für erste Schweizer Medaille – vor fünf Jahren putzte sie noch für Geld

Nina Christen sorgt mit Bronze über 10 Meter mit dem Luftgewehr für die erste Schweizer Medaille bei den Olympischen Spielen in Tokio. Die 27-Jährige ist eine Pionierin im Schweizer Schiesssport. Vor fünf Jahren putzte sie in ihrer Freizeit noch, um Geld zu verdienen.

Simon Häring, Tokio
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Nina Christen feiert ihren Sieg der Bronze-Medaille über 10 Meter mit dem Luftgewehr.

Nina Christen feiert ihren Sieg der Bronze-Medaille über 10 Meter mit dem Luftgewehr.

Keystone

Gleich in der ersten Medaillenentscheidung bei den Olympischen Spielen in Tokio sorgt die Schützin Nina Christen für die erste Medaille. Sie holt über 10 Meter mit dem Luftgewehr Bronze. Nach der Qualifikation war sie noch auf Rang 7 gelegen. Die 27-jährige Christen galt als Anwärterin auf die Medaillen. Allerdings nicht über 10 Meter, sondern über die 50 Meter.

Der Medaillengewinn hat sich abgezeichnet. 2016 hatte Cristen bei ihren ersten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Rang 6 belegt, 2019 gewann sie erstmals im Weltcup und wurde Europameisterin. Im Ranking in ihrer Paradedisziplin, dem Dreistellungsmatch über 50 Meter, lag sie vor Tokio im dritten Rang. Dort werden am nächsten Samstag Medaillen vergeben. Vor ihrer Abreise nach Tokio sagte Christen: «Ich weiss um mein Können, und dass ich meine Leistungen am entscheidenden Tag abrufen kann. Meine Fähigkeiten reichen, um eine Medaille zu gewinnen.»

Auf die Eröffnungsfeier von Freitagnacht musste die 27-Jährige verzichten. «Ich musste schon um sechs Uhr auf den Bus, mein Wettkampf begann um 08.30 Uhr, da lag das nicht drin», sagt sie auf Frage dieser Zeitung und gibt zu, keine Frühaufsteherin zu sein. In den nächsten zwei Tagen wird sie pausieren, dann beginnt das Training für den Dreistellungskampf. Christen sagt: «Ich bin unheimlich stolz und glücklich und ich hoffe, dass ich damit auch dem Schweizer Team mit auf den Weg geben kann. Nun kann ich mit einer grossen Portion Gelassenheit in diesen Wettkampf gehen.»

Nina Christen posiert mit ihrer Medaille bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Nina Christen posiert mit ihrer Medaille bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Keystone

Christen kommt zwar aus Wolfenschiessen und hat mit einer Nidwaldner Kantonsflagge auch ein Stück Heimat mit nach Japan gebracht kommt, lebt aber in Immensee im Kanton Schwyz. Aufgewachsen ist sie als ältestes von zwei Kindern in einer Schützenfamilie, den Jungschützenkurs besuchte sie aber erst im Alter von 11 Jahren. 2016 machte sie den Sport zum Beruf und brach ihr eben erst begonnenes Biologiestudium ab, als sie einen der drei Ausbildungsplätze im neu eröffneten Nationalen Leistungszentrum in Magglingen erhielt. Sie ist damit eine Pionierin im Schweizer Schiesssport.

In den letzten Wochen vor ihren ersten Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro putzte Christen noch in Schulhäusern, um ein wenige Geld zu verdienen . «Diesmal konnte ich das Gewehr zwei Wochen vor dem Wettkampf in die Ecke stellen, mich auf das Mentale und die Kondition konzentrieren, und mich erholen. Denn wenn man im Schiessen Erfolg haben will, muss man gut erholt sein», sagt Christen. Ihre Stelle ist über die Armee mit einem 50-Prozent-Pensum abgegolten, das Jahreseinkommen, mit Prämien und Unterstützungsleistungen, liegt im mittleren fünfstelligen Bereich. Aber wesentlicher ist für Christen, dass sie in Magglingen bei Kost und Logis die Trainingseinrichtungen nutzen kann.

Seit 2016 trainiert Nina Christen im Nationalen Leistungszentrum in Magglingen.

Seit 2016 trainiert Nina Christen im Nationalen Leistungszentrum in Magglingen.

Anthony Anex / KEYSTONE

Erst die zweite Olympia-Medaille einer Schützin

In Magglingen ist ihr Alltag klar geregelt: Zwei Stunden Schiessen am Vormittag, zwei Stunden Schiessen am Nachmittag – und ein Leben wie im Internat. Nun sorgte Christen für die 22. Schweizer Olympia-Medaille im Schiessen, die zweite einer Frau nach Heidi Diethelm Gerber 2016 in Rio de Janeiro. Die Pistolenschützin hatte damals mit Bronze über 25 Meter ebenfalls für die erste von am Ende 7 Schweizer Medaillen gesorgt.

Frühe Erfolge bei Olympischen Spielen sind immer auch Indiz für einen Medaillenregen. Bestes Beispiel dafür ist Sydney 2000. Damals sorgten Brigitte McMahon und Magali Messmer im Triathlon am zweiten Tag für Gold und Silber. Am Ende resultierten 9 Medaillen, so viele wie seit Helsinki 1952 (14 Medaillen) nicht mehr. 2008 in Peking holte Fabian Cancellara am zweiten Tag Silber im Strassenrennen. Bis zum Ende gab es zwei Mal Gold (Cancellara im Zeitfahren, Stan Wawrinka und Roger Federer im Tennis-Doppel), Silber durch Cancellara und vier Mal Bronze (die Schweizer Equipe der Springreiter, Karin Thürig im Zeitfahren, Nino Schurter im Mountainbike und Sergei Aschwanden im Judo).