Der Kanton Basel-Stadt hat mehr als fünf Millionen Franken in ein Projekt investiert, das zum Scheitern verurteilt war. Andere Städte sind erfolgreicher.
Bereits die Einführung des Sozialhilfe-Projekts Passage war missglückt. Das Wirtschaftsdepartement von SP-Regierungsrat Christoph Brutschin startete das Projekt vor fünf Jahren, ohne es zu kommunizieren. Als die «Basler Zeitung» die Neuigkeit publik machte, war der Aufschrei gross. Die Linkspartei Basta reichte eine Petition ein. Die Linken kritisierten, dass Sozialhilfebezüger diskriminiert und unter Generalverdacht gestellt würden. Die Bürgerlichen hingegen applaudierten: Endlich unternehme die linke Regierung etwas gegen die steigenden Sozialhilfekosten, lautete der Tenor.
Darum geht es bei Passage: Grundsätzlich müssen alle Personen, die Sozialhilfe beantragen, zuerst einen einmonatigen Arbeitseinsatz leisten. Zum Beispiel einfache Arbeiten in der Sportanlage St. Jakob verrichten: Laub rechen und Hecken schneiden.
Diese Woche hat die Regierung das Projekt nach fünf Jahren nun ebenso leise abgeschafft, wie sie es eingeführt hat. Am Ende einer positiven Meldung über ein Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose erwähnte sie nebenbei den Abbruch der Übung. Das Kalkül ging auf: Die negative Meldung wurde in den Tagesmedien nicht aufgegriffen.
Die offizielle Begründung der Regierung lautet: Die «angestrebten Ziele» seien nicht «im geplanten Ausmass» erreicht worden. Diese Argumentation ist vorgeschoben. Als die Regierung nach der missglückten Einführung das Projekt im Parlament rechtfertigen musste, zog sie eine positive Zwischenbilanz: Das Modell erziele in Basel die gleiche Wirkung wie in Winterthur, wo 20 Prozent der Passage-Teilnehmer einen Job finden und keine Sozialhilfe beziehen müssen. Das sei eine erfolgreiche Quote. Dieses Ziel wurde nun in Basel sogar leicht übertroffen: 23 Prozent der 1290 Passage-Teilnehmer haben noch während ihres Pflichtarbeitseinsatzes eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit gefunden.
Damals wurde zudem betont, dass Passage bei den Sozialhilfebezügern gut ankomme. Daran hat sich nichts geändert: Befragungen hätten gezeigt, dass die Akzeptanz «hoch» sei, heisst es auch heute bei der Sozialhilfe.
Der aktuelle Grund sind deshalb nicht verfehlte Ziele, sondern das Sparprogramm des Kantons. Auf Anfrage sagt Nicole Wagner, Leiterin der Sozialhilfe, denn auch: «Die Kosten lassen sich in Zeiten, in denen Sparen angesagt ist, nicht rechtfertigen.» Bei einer Weiterführung würde Passage knapp eine Million Franken pro Jahr kosten. Wie hoch die Kosten in den vergangenen fünf Jahren waren, kann sie nicht sagen. Es dürften mehr als fünf Millionen Franken sein, da zu den jährlichen Ausgaben die Projekterarbeitung und Aufträge an eine Beratungsfirma hinzukommen.
Bei der Einführung verwies die Basler Regierung auf eine Winterthurer Studie. Deren Fazit lautete: Mit jedem investierten Franken können innerhalb dreier Jahre mehr als vier Franken gespart werden, weil sich viele Leute wegen der angedrohten Pflichtarbeit gar nicht erst bei der Sozialhilfe melden würden.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung habe noch heute ihre Gültigkeit, sagt Martin Gfeller, Leiter der Winterthurer Sozialberatung. In Winterthur funktioniere Passage, weil die Arbeitseinsätze im Gegensatz zu Basel vor der Sozialhilfe stattfinden. In Basel werden sie erst mit dem Eintritt in die Sozialhilfe durchgeführt. Dass die Arbeitseinsätze einige Leute davon abhalten, Sozialhilfe zu beantragen, sei aber ohnehin nur ein willkommener Nebeneffekt. «Der grosse Nutzen ist, dass wir schon viel wissen über jene Leute, die trotz Passage Sozialhilfe beziehen», sagt Gfeller. Auch die Stadt Zürich hebt diese Wirkung hervor. Der Kanton Bern wiederum wählt einen anderen Weg: Dort müssen nur Personen, bei denen Faulheit oder Schwarzarbeit vermutet wird, bei Passage antreten.
Die Basler Regierung scheut sich vor einem restriktiven Kurs. Sie hat dem Winterthurer Modell die Zähne gezogen. Das zeigen die Zahlen der Basler Sozialhilfe: Mehr als ein Drittel der Basler Teilnehmer brach den Arbeitseinsatz ohne triftige Gründe ab. Doch nur bei drei Prozent wurde danach die Sozialhilfe gekürzt. Die Basler Regierung betonte von Anfang an, dass es ihr nicht darum gehe, fehlbare Sozialhilfebezüger streng zu sanktionieren. Deshalb war auch von Anfang an klar, dass Passage in Basel finanziell nicht so erfolgreich sein werde wie in Winterthur.
Basel hat nicht nur fünf Jahre lang ein Projekt durchgeführt, das nun als zu teuer eingestuft wird. Es wurde auch teuer evaluiert: Eine schweizweit führende Beratungs- und Forschungsfirma verfasste eine Studie. Doch diese wird von der Regierung als vertraulich eingestuft.
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