Statt mit dem Nachtzug in die Ferien ging es für Dutzende Nachtzug-Kunden am Sonntagabend ins Hotel. Weil Wagen fehlten, kam es zu unschönen Szenen am Zürcher Hauptbahnhof.
So hatten sich die Passagiere des Nachtzugs von Zürich nach Budapest ihren Ferienbeginn nicht vorgestellt. Dutzende von ihnen suchten am Sonntagabend im Zürcher Hauptbahnhof vergeblich ihr Abteil im Nachtzug, der von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) betrieben wird. Fündig wurden sie nicht: Vier Wagen, die nach Budapest verkehren sollten, fehlten.
Ein Mann, der vor Ort war und der im anderen Zugteil mit Destination Wien reiste, beschreibt die Stimmung als «explosiv»: Der Tonfall einiger betroffener Kunden gegenüber dem Personal sei zunehmend aggressiv geworden. Von der Panne betroffen gewesen seien auch Familien mit kleineren Kindern: «Manche von ihnen weinten», sagt der Mann zu CH Media. Viele Passagiere hätten auf die Weiterfahrt mit dem Zug beharrt. Erst dank einigem Zureden durch das Personal hätten sie schlussendlich davon überzeugt werden können, dass der Zug so nicht abfahren könne.
Schlussendlich wurden für Reisende, die nicht zuhause übernachten wollten, Hotels gebucht. SBB-Sprecher Reto Schärli sagt: «Die Reisenden, die in Zürich verbleiben mussten, wurden von zusätzlichem Personal der SBB betreut. Innerhalb rund einer Stunde konnte für 50 Reisende eine Übernachtung in verschiedenen Hotels in Zürich organisiert werden.» Zwei weitere Reisende, die in Sargans SG zugestiegen wären, wurden dort in einem Hotel untergebracht.
Die Wagen hätten gefehlt, weil es aufgrund von Unwetterschäden in Österreich zu Zugausfällen gekommen, sagt Schärli. «Deshalb standen die vier Wagen mit Reiseziel Budapest beim ÖBB-Nachtzug nicht zur Verfügung.» Es sei nicht möglich gewesen, als Alternative normale Sitzplatz-Wagen der SBB einzusetzen. Eine genauere Erklärung dafür liefert die Bahn nicht.
Gemäss den internationalen Fahrgastrechten erhielten die betroffenen Reisenden 50 Prozent des Billettpreises entschädigt, sagt Schärli. Zudem werde die Preisdifferenz erstattet, wenn jemand statt in einem Schlaf- oder Liegewagen in einem Sitzplatzwagen habe reisen müssen.
Zumindest in Sachen Entschädigung wären die betroffenen Reisenden besser davongekommen, wenn sie das Flugzeug genommen hätten. Für die Verbindung nach Budapest mit einer Distanz von knapp 1000 Kilometern hätten sie die Wahl gehabt zwischen der vollen Erstattung des Ticketpreises oder anderweitiger Beförderung zum Zielort. Hinzu kommt laut Angaben des Bundesamts für Zivilluftfahrt ein Anspruch auf Mahlzeiten und Getränke sowie je nach Situation eine Unterkunft im Hotel. Zudem hätten Flugreisende in diesem Fall Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in der Höhe von umgerechnet 270 Franken. So sieht es die Verordnung zu den europäischen Fluggastrechten vor.
Bei internationalen Zügen wird laut Angaben der SBB hingegen mit Ausnahme von TGV-Verbindungen maximal 50 Prozent des Billettpreises entschädigt ab einer Verspätung von zwei Stunden. Zudem muss die Bahn je nach Verbindung für die Hotelkosten aufkommen.
Mit 30 Minuten Verspätung fuhr der Nachtzug am Sonntag doch noch los und die Ferien konnten beginnen – zumindest für jene, deren Wagen auch gekommen war. Beim Rest der Kunden dürfte die Bahn mit dem Intermezzo nicht unbedingt Werbung für das klimafreundliche Reisen mit dem Nachtzug gemacht haben – zumal sie zuvor nicht über das Fehlen ihrer Wagen informiert wurden und erst am Sonntagabend auf dem Perron davon Kenntnis nehmen mussten.