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Nach fast zehnjährigen Ermittlungen macht die Bundesanwaltschaft dem früheren deutschen Hedge-Fonds-Manager Florian Homm den Prozess. Angeklagt ist auch ein Zürcher Treuhänder.
Er wurde als «Antichrist der Finanzwelt» und als «Plattmacher» bezeichnet, bevor er sich nach fünfjährigem Exil als geläuterter Christ und Wohltäter gab und seit jüngstem wieder einen Börsenbrief herausgibt (siehe Box). Nun muss sich der ehemalige deutsche Hedge-Fonds-Manager Florian Homm vor Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten, wie die Bundesanwaltschaft (BA) auf Anfrage unserer Zeitung bekanntgab.
Nach beinahe zehnjährigen Ermittlungen haben die Strafverfolger des Bundes Anklage wegen gewerbsmässigen Betrugs, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Veruntreuung, qualifizierter Geldwäscherei und Urkundenfälschung erhoben. Dem 59-Jährigen droht damit eine langjährige Freiheitsstrafe; die BA wird ihre Strafanträge erst an der Hauptverhandlung stellen.
Die Vorwürfe gehen auf die Nullerjahre zurück, als Homm mit seinem Fonds Absolute Capital Management Holdings (ACMH) gross im Geschäft war, auch auf dem hiesigen Finanzplatz. Mittels Aktienkurs-Manipulationen soll Homm in den Jahren 2004 bis 2007 zum Nachteil des ACMH sowie von acht weiteren Anlagefonds mit Sitz auf den Cayman-Inseln gewerbsmässigen Betrug begangen haben. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, sich dadurch zwischen 2005 und 2008 Vermögenswerte in der Höhe von mindestens 170 Millionen Dollar unrechtmässig angeeignet und diese auf von ihm kontrollierte Bankverbindungen in der Schweiz transferiert zu haben. «Darüber hinaus werden dem Angeklagten rund 260 Geldwäschereihandlungen in der Schweiz zwischen 2005 und 2011 vorgeworfen», erklärte BA-Sprecherin Linda von Burg.
Mit Unterstützung der Mitangeklagten soll Homm unter anderem mittels Offshore-Gesellschaften, grenzüberschreitender Finanztransaktionen oder mit dem Erwerb von Immobilien und Kunstwerken versucht haben, die illegale Herkunft eines Teils der Gelder zu verschleiern. Gemäss BA haben zwei frühere Mitarbeiter von ehemaligen Schweizer Privatbanken zudem einen Teil der inkriminierten Vermögenswerte genutzt, um in der Schweiz eine Privatbank zu gründen und weitere Gelder von Homm bei dieser neuen Bank zu deponieren. Namen nennt die Bundesanwaltschaft nicht. Es dürfte sich jedoch um die Leodan Privatbank in Zürich handeln, die 2015 als Nachfolgefirma der PHZ Privat- und Handelsbank Zürich antrat, aber nur ein halbes Jahr aktiv war. Die beiden ehemaligen Mitarbeiter sind laut BA wegen qualifizierter Geldwäscherei, Urkundenfälschung, Erschleichung einer falschen Beurkundung und Verletzung der Geldwäscherei-Meldepflicht angeklagt.
Der Kreis der Angeklagten wird durch einen ehemaligen Schweizer Treuhänder komplettiert. Er muss sich laut BA wegen qualifizierter Geldwäscherei, Urkundenfälschung sowie betrügerischen Konkurses und Pfändungsbetrugs verantworten. Die BA macht keine weiteren Angaben zu dieser Person, doch dürfte es sich um Urs Meisterhans handeln. Gegen den heute 58-jährigen Zürcher hatte die Finanzmarktaufsicht Finma im Oktober 2014 eine sogenannte Unterlassungsanweisung verfügt. Demnach wurde ihm unter Strafandrohung generell verboten, unter jeglicher Bezeichnung selbst oder über Dritte eine finanzmarktrechtlich bewilligungspflichtige Tätigkeit auszuüben oder in irgendeiner Form entsprechende Werbung zu betreiben. Gleichzeitig hatte die Finma die Liquidation der von Meisterhans geleiteten Finanzgesellschaft Sinitus in Küsnacht ZH angeordnet.
Die Bundesanwaltschaft hatte Meisterhans bereits 2015 angeklagt, wurde vom Bundesstrafgericht damals aber zurückgepfiffen. Die Richter wiesen die abgetrennte Anklage wegen Verstosses gegen den Rechtsgrundsatz der Verfahrens- und der Beurteilungseinheit zurück. Würde der Prozess durchgeführt, wären die anderen Beschuldigten in ihren Verfahrensgarantien beschnitten, erklärten die Richter. Hinzu komme die Gefahr von sich widersprechenden Urteilen.
Der Fall Homm, Meisterhans und Konsorten gehört zu jenen Wirtschaftskriminalfällen, die der Bundesanwaltschaft wegen der langen Dauer verschiedentlich Kritik eintrugen. Auch die Verjährung könnte ein Thema werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Dutzende von Rekursen und wiederholte Ausstandsbegehren gegen Richter am Bundesstrafgericht zur Verzögerung des 2009 eröffneten Verfahrens beitrugen. Die BA verweist zudem auf die komplexen Finanzkonstruktionen, die Vielzahl der involvierten Personen und die internationale Dimension des Falls. So seien mehrere hundert Einvernahmen und die Edition von mindestens 600 Bankverbindungen nötig gewesen. Hinzu seien Rechtshilfegesuche an über 20 Länder gekommen. Zurzeit sind laut BA Vermögenswerte von mehr als 45 Millionen Franken sowie mehrere Immobilien in der Schweiz und in Spanien beschlagnahmt.
In den USA war Homm vorübergehend auf der FBI-Liste der meistgesuchten Wirtschaftskriminellen ausgeschrieben. Die US-Justiz wirft ihm vor, Investoren durch betrügerische Transaktionen mit Kleinstaktien (Penny Stocks) um mindestens 200 Millionen Dollar geprellt zu haben. Ihm drohen nach eigenen Angaben in den USA «225 Jahre Knast», wie Homm in seinem 2016 erschienenen Buch mit dem gleichen Titel schrieb. In der Schweiz hatte Homm erstmals in den 1990er-Jahren mit einem erfolglosen Übernahmeversuch beim Berner Nahrungsmittelproduzenten Galactina für Aufsehen gesorgt. Es folgten Beteiligungen bei Comet, Ascom, SIG und Mobilezone. Ein Übernahmeversuch der Basler Medienfirma Highlight Communications scheiterte.
Von Interesse ist sodann die Rolle der Schweizer Banken als Investoren in die Homm-Vehikel. Der Prozess dürfte zudem Aufschluss darüber geben, wie es Homm und seinen Helfern gelang, die mutmasslich kriminellen Gelder auf dem hiesigen Finanzplatz zu verstecken.
Homm und sein Zürcher Anwalt wollten sich auf Anfrage nicht zur Anklage der Bundesanwaltschaft äussern. Der Deutsche hatte aber schon früher erklärt, er hoffe, dass die Angelegenheit nach mehr als einem Dutzend Jahren endlich erledigt werden könne. Der Mitangeklagte Meisterhans konnte nicht für eine Stellungnahme erreicht werden.
Florian Homm ist ein Grossneffe des deutschen Versandhauskönigs Josef Neckermann und wuchs als Sohn eines Handwerksunternehmers in Hessen auf. Mitglied der deutschen Basketball-Juniorennationalmannschaft, Harvard-Absolvent, Analyst und Händler bei Merrill Lynch, Fidelity und Julius Bär, mehrfach ausgezeichneter Hedge-Fund-Manager, der es bis zum Dollar-Milliardär brachte: Das sind Stationen, die der 2,03 Meter grosse Liebhaber kubanischer Zigarren in Videos über sich selber erwähnt. Erfolgreich vor allem durch Baisse-Spekulationen an der Börse erwähnt Homm in seinem Lebenslauf auch Lifestyle-Exzesse und Investitionen in Nachtklubs und Bordelle. 2004 steigt er zusammen mit dem Mobilezone-Gründer Ruedi Baer beim vom Konkurs bedrohten Fussballklub Borussia Dortmund ein.
Geschäftspartner empfängt Homm gerne in seiner Villa auf Mallorca. 2006 überlebt er einen Raubüberfall in Venezuela nur knapp. Noch immer stecke eine Kugel in seinem Rückgrat, berichtet er. In Deutschland greift Homm unter anderem den Autoverleiher Sixt und den Finanzdienstleister MLP an. Im Falle Sixt wird er wegen Kursmanipulation zu einer Busse verurteilt.
2007 gibt Homm den Rücktritt bei seinem Hedge-Fonds Absolute Capital Management bekannt. Er verabschiedet sich mit seinem Privatflugzeug in Richtung Südamerika und taucht für fünf Jahre unter. In einem Interview der Zeitschrift «Facts» hatte er vor seiner Flucht noch folgendes Bekenntnis abgelegt: «Ich mach lieber mein Ding, als beliebt zu sein.» Zurück bleiben verärgerte Geschäftspartner und Investoren. Ein Privatdetektiv stellt ein Video auf Youtube, in dem 1,5 Millionen Euro für Hinweise ausgesetzt wurden, die dazu führen, Homm «dingfest» zu machen. 2012 meldet sich das «Phantom Homm» mit Interviews in deutschen Medien zurück und veröffentlicht ein autobiografisches Buch mit dem Titel «Kopf Geld Jagd». Im März 2013 wird Homm aufgrund eines US-Haftbefehls beim Besuch der Gemäldegalerie Uffizien in Florenz von der italienischen Polizei festgenommen und in Auslieferungshaft gesetzt. Er war in Begleitung seiner geschiedenen Frau und seiner beiden Kinder. Der an Multipler Sklerose leidende Homm verbringt 15 Monate im Gefängnis, wird aber wegen einer verpassten Frist nicht in die USA ausgeliefert, sondern kann nach Deutschland zurückkehren.
In einem Video berichtet Homm über seine Läuterung: «Ich hatte meine Seele verramscht an den sogenannten Mammon.» Die Schrift «Die Botschaften der Barmherzigkeit der Jesusmutter Maria für die Welt» habe dem «Diener des Geldes» die Augen geöffnet. «Meine neue Chefin heisst Maria», berichtet Homm auf seiner Homepage. Ganz hinter sich lassen kann er die Finanzwelt aber nicht. Über eine in Schaffhausen ansässige GmbH gibt Homm einen neuen Börsenbrief heraus. «OK, ich bin zurück im Markt, aber nicht für den Geldadel, sondern für den Privatinvestor», versichert er.