Der Streit um das blockierte Schmiergeldvermögen aus Usbekistan zieht sich in die Länge

Was letzten Frühling nach einer raschen Lösung aussah, wird komplizierter. Und ein alter Player will neu mitmischen.

Balz Bruppacher
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Gulnara Karimowa an einem Konzert in Taschkent. (Bild: Yves Forestier/Getty, 27. Oktober 2013)

Gulnara Karimowa an einem Konzert in Taschkent. (Bild: Yves Forestier/Getty, 27. Oktober 2013)

Experten sind sich einig: Für die Rückführung von illegal erworbenen Geldern ausländischer Machthaber gibt es keine Patentrezepte. Denn jeder Fall hat seine Besonderheiten. Anschauungsunterricht liefert die Affäre um die Tochter des 2016 verstorbenen Staatspräsidenten Usbekistans, Islam Karimow.

Anders als in den Fällen Marcos, ­Abacha oder Mubarak gerieten die in der Schweiz liegenden Millionen nicht erst nach dem Sturz oder Tod der Macht­haber ins Visier der hiesigen Justiz. Vielmehr kam das Netzwerk der usbe­kischen Präsidententochter Gulnara ­Karimowa unter Korruptions- und Geldwäschereiverdacht, als diese noch als UNO-Botschafterin ihres Landes in Genf akkreditiert war.

Es geht um mehr als 800 Millionen Franken

Es geht also nicht um Ermittlungen, die auf einen Machtwechsel in der Heimat der beschuldigten Potentaten folgten und durch Rechtshilfegesuche an die Schweiz ausgelöst wurden. Vielmehr konzentrierte sich der Verdacht auf Korruptionszahlungen von internationalen Konzernen, namentlich aus dem Telekomsektor, für den Marktzugang in ­Usbekistan. Hinzu kommt, dass die heute 46-jährige Hauptbeschuldigte beim eigenen Familienclan in Ungnade fiel und inzwischen in ihrer Heimat eine Freiheitsstrafe verbüsst.

Eine Rückerstattung der blockierten Vermögenswerte an Usbekistan verbietet sich aber, so lange keine Garantien vorliegen, dass die Gelder nicht erneut in korrupten Taschen landen. Und so lange Vorbehalte über die Gewährleistung von rechtsstaatlichen Prinzipien in Usbekistan bestehen.

Bisher einmalig für ein Geldwäschereiverfahren ist die Höhe der beschlagnahmten Vermögenswerte: Es geht um mehr als 800 Millionen Franken, darunter eine Villa in der Genfersee­gemeinde Cologny und Schmuck. Doch damit nicht genug: Ins Spiel kommen auch Ansprüche von Dritten. So verfügten die USA in einem Zivilverfahren die Beschlagnahmung von in der Schweiz eingefrorenen Geldern. Und die Gläubiger einer der grössten Schweizer Firmenpleiten machen ebenfalls Forderungen geltend. Es geht um die Konkursmasse der Firma Zeromax GmbH in Zug, über die in den Nullerjahren bis zum Konkurs im Jahre 2010 ein Grossteil des usbekischen Aussenhandels abgewickelt wurde.

Gläubiger von Zuger Pleitefirma wollen Karimowas Gelder

Die Zeromax-Gläubiger, die Forderungen von insgesamt 5,6 Milliarden Franken angemeldet haben, nehmen zurzeit einen neuen Anlauf, sich etwas vom Karimowa-Kuchen abzuschneiden. Galt doch die Präsidententochter als faktische Geschäftsführerin der Zuger Firma. Zu den Gläubigern gehören russische Pipelinekonzerne und usbekische Gasindustriefirmen, aber auch deutsche KMU, Reinigungsfirmen aus dem Kanton Zug und der ehemalige brasilianische Fussballstar Rivaldo.

Juristisch geht es um die Frage, ob die Zeromax-Konkursmasse den Status der Privatklägerschaft im Strafverfahren der Bundesanwaltschaft (BA) gegen Karimowa zurückerhält. Die Konkursverwalter hatten diese Parteistellung, die ihnen Zugang zu den Akten ermöglichte, ursprünglich 2014 erhalten, nachdem die Bundesanwaltschaft das Geldwäschereiverfahren aufgrund einer Strafanzeige der Zeromax-Konkursmasse auf den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung ausgeweitet hatte. Drei Jahre später kam die BA jedoch auf diesen Entscheid zurück und schloss die Zeromax-Konkurs­masse wieder vom Verfahren aus – ein Schritt, den das Bundesstrafgericht im vergangenen Februar bestätigte.

Konkursmasse müsste neue Beweise vorlegen

Entscheidend waren Aussagen des ehemaligen Zeromax-Direktors Miradil Djalalov, der den früheren Annahmen über die zentrale Rolle von Gulnara ­Karimowa in der Firma widersprach. Die Bundesanwaltschaft erhielt diese Informationen von den Behörden in ­Usbekistan, wo Djalalov eine 18-jährige Freiheitsstrafe verbüsste. Laut einem Bericht von Radio Free Europe wurde Djalalov am vergangenen Dienstag vorzeitig aus der usbekischen Haft entlassen. Was dies für das Schweizer Verfahren bedeutet, ist nicht bekannt.

Im Exil lebende usbekische Aktivisten hatten bereits am vergangenen 19. Dezember in einem offenen Brief an die Schweizer Behörden ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die Schweiz auf neue Forderungen der Zeromax-Gläubiger eintreten könnte. Weder die ausseramtliche Konkursverwaltung noch die Bundesanwaltschaft wollten sich auf Anfrage dazu äussern, ob eine solche Eingabe vorliegt. Bekannt ist, dass die vom Zürcher Strafrechtsprofessor und SP-Ständerat Daniel Jositsch vertretene Zeromax-Konkursmasse bei ihrer Ende 2013 eingereichten Strafanzeige wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung gegen Karimowa einen Schaden von gut 531 Millionen Franken geltend gemacht hatte. Um erneut als Privatklägerin anerkannt zu werden, müsste die Konkursmasse neue Beweise vorlegen, dass die Zeromax faktisch von Karimowa gesteuert wurde.

Besuch des usbekischen Präsidenten dementiert

Usbekische Medien hatten im Dezember zudem über einen bevorstehenden Besuch von Staatspräsident Schawkat Mirsijojew in Deutschland und der Schweiz berichtet. Dabei solle das Problem der Zeromax-Gläubiger gelöst werden. Im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ist hingegen nichts von einem ­Besuch des usbekischen Präsidenten bekannt. «Weder während des Weltwirtschaftsforums WEF noch in den nächsten ­Monaten ist ein Treffen mit dem Präsidenten Usbekistans vorgesehen», teilte Carole Wälti, Mediensprecherin des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), auf Anfrage mit.

Keine Neuigkeiten gibt es derweil vom Schweizer Strafverfahren gegen Karimowa und die fünf mitbeschuldigten usbekischen Staatsangehörigen. Vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona sind nach wie vor Einsprachen gegen zwei Strafbefehle hängig, mit denen die Bundesanwaltschaft im Falle von zwei Mitbeschuldigten rund 700 Millionen Franken einziehen und den politischen Behörden für die Rückerstattung an ­Usbekistan zur Verfügung stellen möchte. Das Verfahren gegen Karimowa selber scheint hingegen festgefahren. Wie unsere Zeitung erfahren hat, fand im vergangenen September ein Treffen zwischen der usbekischen Generalstaatsanwaltschaft und einer hochkarätigen Delegation der BA unter Leitung von Bundesanwalt Michael Lauber in der usbekischen Hauptstadt Taschkent statt (siehe Box).

Laubers Mission in Taschkent

In die Ermittlungen gegen Gulnara Karimowa hat sich der Bundesanwalt persönlich eingeschaltet. Michael Lauber wurde am vergangenen 13. September von der usbekischen Generalstaatsanwaltschaft in Taschkent zu einem Treffen empfangen, wie die Bundesanwaltschaft (BA) auf Anfrage unserer Zeitung bekannt gab. Dabei sei die Zusammenarbeit der beiden Strafverfolgungsbehörden erörtert worden. «Die Diskussionen haben es insbesondere erlaubt, juristische Fragen betreffend die Rechtshilfe zwischen den beiden Ländern zu klären», heisst es in der BA-Stellungnahme weiter. Lauber weilte mit einer mehrköpfigen Delegation der BA in Usbekistan. Eine aktive Information der Medien fand nicht statt. Dem Vernehmen nach war neben dem Leiter des Verfahrens gegen Karimowa und Mitbeschuldigte, Patrick Lamon, auch der damalige Leiter der BA-Abteilung Wirtschaftskriminalität, Olivier Thormann, mit dabei. Wenige Wochen später trennte sich Lauber von Thormann nach einem Konflikt über die Rolle Thormanns beim Verfahrenskomplex zum Weltfussballverband Fifa.

Lauber hatte Ende September, also kurz nach der Rückkehr aus Usbekistan, die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft eingeschaltet. Es folgte ein Strafverfahren gegen Thormann wegen des Verdachts auf Amtsgeheimnisverletzung, Begünstigung, passiver Bestechung und Vorteilsnahme. Mit Entscheid vom 9. November stellte der ausserordentliche Staatsanwalt das Verfahren vollumfänglich ein. Dennoch wurde das Arbeitsverhältnis der BA mit Thormann aufgelöst. Seine Stelle ist inzwischen ausgeschrieben. Lauber geriet unterdessen im Fall Fifa wegen zwei informellen Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino im Frühling 2016 in die Schlagzeilen. Der Bundesanwalt bezeichnete solche Treffen im vergangenen November an einer Medienkonferenz als unerlässlich; eine Protokollierung sei nicht nötig. Die Treffen sind inzwischen Gegenstand von Abklärungen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft. Über das Resultat will die Aufsichtsbehörde in ihrem Tätigkeitsbericht 2018 informieren, der im kommenden März erscheint. (bbp)