Pharma
Eine erfolgsverwöhnte Branche klagt

Der Umsatz in der Schweizer Pharmabranche ist erstmals rückläufig. Sie erwirtschafteten 63 Millionen Franken weniger als noch ein Jahr zuvor.

Sabina Sturzenegger
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Viele Pillen sind billiger geworden. Das ärgert die Pharmaindustrie. ho

Viele Pillen sind billiger geworden. Das ärgert die Pharmaindustrie. ho

Die Schweizer Pharmaunternehmen müssen im Jahr 2010 erstmals einen Umsatzrückgang von 1,3 Prozent hinnehmen. Die Medikamentenhersteller erwirtschafteten 4,82 Milliarden Franken. Das sind 63 Millionen Franken weniger als 2009. Dies gaben die Vereinigung Pharmafirmen Schweiz (Vips) und der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen (Interpharma) gestern in Bern bekannt. Es handle sich um eine «besondere Entwicklung», sagte Vips-Präsident Walter P. Hölzle.

So «besonders» die Branchenvertreter den Umsatzrückgang einschätzen und so ärgerlich er für die erfolgsverwöhnte Branche sein mag, so wenig überraschend ist er: Die Pharmaunternehmen können in der Schweiz nicht mehr so uneingeschränkt Geld verdienen wie einst, weil der Staat bei den Medikamentenpreisen eingreift.

Zudem hat die Schweizer Bevölkerung im letzten Jahr beim Medikamentenkauf leicht gebremst. Nicht zuletzt wirkt sich auch der starke Franken auf die Pharmaindustrie ungünstig aus.

7000 Arzneien sind billiger

Hauptsächlich verantwortlich für den Umsatzrückgang sind die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorgeschriebenen Preissenkungen auf Medikamente, wie Thomas Binder, Vips-Geschäftsführer, ausführte. Seit 2006 wurden rund 7000 Arzneien, die in der Schweiz auf der Spezialitätenliste stehen, billiger.

Rückblickend sagt Binder deshalb: «Mit den Preisen von 2005 hätten die Schweizer 1,9 Milliarden Franken mehr für Medikamente ausgegeben.»

Mit Preissenkungen soll es aber weitergehen: So orientieren sich ab Juli die Preise der patentabgelaufenen Originalprodukte und der Generika am günstigsten Preis eines Wirkstoffes. Ab Januar 2012 müssen zudem die umsatzstarken Wirkstoffe in Originalprodukten nach deren Patentablauf sowie in Generika um mindestens 60 Prozent gesenkt werden.

Dies alles macht der Pharmabranche auch für die Zukunft wenig Hoffnung: Sie erwartet in den nächsten fünf Jahren ein «sehr gedämpftes Wachstum» zwischen minus 1 und plus 2 Prozent, wie Binder sagte.

Es könne nicht sein, dass es bei den Medikamentenpreisen nur eine Richtung gebe, «jene nach unten», sagte Thomas Cueni von Interpharma. Wenn man schon mit dem Ausland die Preise vergleiche, wie es das BAG macht, müssten auch Erhöhungen möglich sein, forderte er.

Der Generalsekretär von Interpharma fürchtet um die Attraktivität des Standortes Schweiz – insbesondere jetzt, wo der Franken so stark ist. «Wir wollen aber weder Massnahmen beim Export noch Währungsstützungen, sondern eine Änderung des Auslandpreisvergleichs», sagte er.

«Schlechtes Schnupfenjahr»

Doch nicht nur Medikamentenpreise und Frankenstärke drücken auf den Umsatz. Die Schweizer Bevölkerung hat im letzten Jahr auch etwas Zurückhaltung geübt beim Kauf von Arzneien: Die 205,3 Millionen Packungen mit Pillen, Pülverchen und Pasten entsprechen «nur» einer Steigerung von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Von 2008 auf 2009 war die verkaufte Menge noch um 2,1 Prozent gestiegen.

Der Grund für den verminderten Anstieg: 2009 war das «bessere» Erkältungs- und Grippejahr, wie Gregor Pfister vom Analyseunternehmen IMS Health erklärte. Damals wurden beispielsweise mehr Schnupfenmedikamente gekauft.