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Mit der sich anbahnenden Abwicklung der britischen Finanzgesellschaft stellen sich für die Grossbank eine unangenehme Frage: Bleibt sie auf potentiell riesigen Schäden sitzen?
Die stotternde Geldmaschine des britischen Finanzierungsvermittlers Greensill ist am Freitag zum Stillstand gekommen, nachdem die Credit Suisse die Mittelzufuhr nun offiziell und definitiv abgestellt hat. Die Grossbank hat beschlossen, vier Fonds zu schliessen, über die sich Greensill in den vergangenen Jahren im grossen Stil finanzieren konnte. In den Fonds lagen zuletzt rund 10 Milliarden Dollar.
Wer diese Fonds gekauft hat, ist nicht klar. Es sind gemäss Angaben der Credit Suisse mehr als 1000 sogenannte «qualifizierte» Investoren. Das können Firmen, Pensionskassen, Versicherungen oder andere Organisationen sein, aber keine Kleinanleger. Trotzdem droht der Bank Ungemach. Die Vermögenswerte der Fonds seien nur noch beschränkt versicherbar und ihre finanzielle Bewertung «unsicher», begründet Credit Suisse die Liquidation.
Es muss befürchtet werden, dass die von den Fondsinvestoren der Credit Suisse mitfinanzierten Greensill-Geschäfte teilweise einen betrügerischen Hintergrund haben. Einen entsprechenden Verdacht hegt offenbar die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin mit Blick auf Forderungen der deutschen Greensill Bank. Sie hat diese Woche die direkte Kontrolle über die Greensill-Bank in Bremen übernommen.
Ab Montag will Credit Suisse erste Auszahlungen an die Fondsinvestoren in Höhe von bis zu 80 Prozent der verfügbaren liquiden Mittel vornehmen. Diese betrügen zwischen 18 Prozent und 70 Prozent der jeweiligen Fondsvermögen, schreibt die Bank.
Der kommunizierte Barbestand der Fonds ist ungewöhnlich hoch. Dies deutet darauf hin, dass die Bank im Stillen schon vor einiger Zeit mit dem Rückbau der vier betroffenen Fonds begonnen hat. Fakt ist jedenfalls, dass die Anlagevehikel zum Zeitpunkt des Jahresabschlusses (Ende Oktober) noch zu über 90 Prozent investiert gewesen waren.
Was den Fondsinvestoren, aber auch der Credit Suisse Sorgen bereiten dürfte, ist ein Szenario, in dem die Fonds auf den riskantesten und schlechtesten Aktiva sitzen bleiben und letztlich erhebliche Wertverluste hinnehmen müssen.
Dieses Szenario scheint eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit zu haben. Die beiden qualitativ besten Fonds, die über salonfähige Bonitätsnoten von renommierten Kreditanalysten verfügen, sind gemäss Credit Suisse bereits zu 55 Prozent beziehungsweise zu 70 Prozent liquidiert. Doch in diesen Fonds liegen nur etwas mehr als eine Milliarde Dollar. Die beiden anderen Fonds, die den Investoren deutlich höhere Renditen versprochen haben, aber entsprechend riskantere Anlagen enthalten und kein eigenes Kreditrating haben, verwalten zusammen rund 8,5 Milliarden Dollar, wovon 2,9 Milliarden Franken in sofort auszahlbarem Cash. Mit anderen Worten: In den Anlagegefässen liegen noch potenziell schlechte Risiken beziehungsweise schwer verwertbare Aktiva im Wert von über fünf Milliarden Dollar.
Die Aktiva der vier Credit Suisse Fonds bestehen aus Lieferantenforderungen von grösseren Firmen, die diese mit Hilfe von Greensill ins obligationenähnliche «Notes» gebündelt hat. So wurden die Forderungen als zinstragende Wertpapiere mit kurzen Laufzeiten von einigen Wochen oder Monaten unter eine breitere Investorenschaft gebracht.
Der Handel mit Lieferantenforderungen ist an sich kein ungewöhnliches Geschäft. Es ist eine Form von Liquiditätsmanagement, mit dem sich grössere Firmen mehr Zeit zur Bezahlung ihrer Lieferanten erkaufen können.
Traditionellerweise ist der handelnde Akteur der Lieferant, der seine Forderung mit einem Abschlag an seine Bank oder an eine spezialisierte «Factoring»-Firma verkauft und so schnell an das Geld kommt. Unter dem moderneren «Supply-Chain-Financing» wird der Abnehmer, also das grosse Unternehmen, zum handelnden Akteur. Er lässt seine Bank beziehungsweise ein spezialisiertes Unternehmen wie Greensill den Einkauf vorfinanzieren, in dem die Lieferanten ihre Forderungen wiederum mit einem Abschlag gegen sofortige Bezahlung an den Vermittler veräussern.
Der Vermittler beschafft sich das Geld für diese Vorfinanzierung wie im vorliegenden Fall von Fondsinvestoren oder über eine eigene Bank (die Bremer Greensill Bank), die dafür Spargelder anwirbt. Die entscheidende Frage für die Geldgeber ist nun, ob die Forderungen werthaltig sind. Im Fall von Greensill gibt es erhebliche Zweifel.
Das Problem dabei ist, dass die potenziell gefährdeten Forderungen möglicherweise einen betrügerischen Hintergrund haben oder nicht einem normalen Kreditrisiko entspringen. Dies wäre für den Kreditanalysten Michael Dawson-Kropf von «Independent Credit View» auch eine plausible Erklärung dafür, dass Versicherungen bei Greensill plötzlich zum Rückzug geblasen haben.
Als Quelle möglicher Ungereimtheiten fällt hier und dort der Name GFG Alliance Group, ein weitverzweigtes Firmenkonstruktes des indisch-britischen Stahlmagnaten und Firmenhändlers Sanjeev Gupta. Dieser habe sich die Ausweitung der Zahlungsfristen bei den Lieferanten besonders viel kosten lassen, heisst es allenthalben.
Noch gibt es keine Beweise dafür, dass es im Greensill-System zu handfesten Unregelmässigkeiten gekommen ist. Hinweise findet man aber leicht: So hat die Credit Suisse hat ihren Fondsinvestoren Renditen von teilweise über vier Prozent versprochen. «Welche Art von Kundenportfolio erwirtschaftet eine solche Rendite», fragt sich Dawson-Kropf im Wissen, dass nebst den Fondsinvestoren auch die Bank, Greensillfield und die Versicherung an dem Geschäft mitverdienen wollen.
Für die Credit Suisse könnte die Geschichte teuer werden, wenn ein Betrug tatsächlich nachgewiesen werden kann. In diesem Szenario wäre zu vermuten, dass die Versicherungen die Deckung des Schadens ablehnen würden. Schliesslich ist ihr Job nur die Absicherung des Kreditrisikos. Dass die Bank einen Schaden in diesem Fall einfach auf ihre Kunden überwälzen könnte, ist zu bezweifeln.