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Janwillem Acket von der Bank Julius Bär hätte die Euro-Kurs-Schranke nicht eingerissen. Besser wäre es gewesen, man hätte erst einmal die Negativzinsen angepasst. Beides zugleich hinterlasse einen «verzweifelten Eindruck».
Janwillem Acket*: Ja, vor allem ob des Zeitpunkts. Das war ein verrückter Tag.
Schlicht, weil die Nationalbank bis zuletzt betonte, den Mindestkurs mit allen Mitteln verteidigen zu wollen.
Der Druck auf den Franken war riesig. Die Nationalbank musste Tag für Tag reagieren, um den Mindestkurs von Fr. 1.20 zu halten. Man hätte den Wechselkurs zwar weiterhin halten können, aber die Kosten stiegen und stiegen. Letztlich aber musste die Aufgabe des Regimes überraschend erfolgen.
Nein. Lassen Sie mich das anhand eines Deichs erklären, der vor den Fluten des Meers schützen soll: Kommt die Flut, soll man nicht am Deich herumdoktern, da diese sonst das Land überschwemmt.
Besser wäre gewesen, man hätte erst einmal nur die Negativzinsen angepasst.
Ich kann sie nachvollziehen. Aber das Problem liegt im Doppelpack, in dem die Massnahmen getroffen worden sind: Die Negativzinsen erhöhen und gleichzeitig den Mindestkurs aufgeben – das hinterlässt gegen aussen hin einen verzweifelten Eindruck.
Diese ist nun angekratzt.
Nein, das nicht. Aber man hätte noch etwas zuwarten können. In ein paar Tagen kommt der Entscheid der Europäischen Zentralbank. Dann sehen wir weiter.
Wir prognostizieren eine leichte Erholung. Was wir auf dem Währungs- und Aktienmarkt gesehen haben, war eine Überreaktion. Wir gehen von einem Eurokurs aus, der sich in den nächsten beiden Monaten zwischen Fr. 1.05 und Fr. 1.10 einpendelt. Das war ein Wechselkursschock, den wir nun erlebt haben. In der Vergangenheit war es stets die Aufgabe der Nationalbank, solche Schocks abzufedern. Nun muss sich erst einmal der aufgewirbelte Staub legen.
Dann hat die Nationalbank definitiv ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn Parität war ja gerade der Grund, weshalb sie im Jahr 2011 die Mindestgrenze von Fr. 1.20 eingeführt hat.
Den Tourismus wird es wohl am härtesten treffen. Die Schweizer Tourismusbranche ist sowieso schon schlecht in die Wintersaison gestartet. Insgesamt ist die jetzige Konstellation besorgniserregend für die Schweizer Wirtschaft, weil sie nicht mit einer starken EU-Konjunktur konfrontiert ist. Man darf aber nicht schwarzmalen: Der Ölpreis wirkt sich mildernd aus.
... Und wer es nicht tat, der ist selber schuld. Ich finde es problematisch, so zu argumentieren. Und das in einer sowieso schon schwierigen Situation.
Würde der Euro dauerhaft auf Fr. 0.95 absacken, dann müssten wir befürchten, auf eine Rezession zuzusteuern. Diese Wahrscheinlichkeit halte ich aber für eher gering.
Es wird Bereiche geben, die das sehr gut verkraften können. Die Börse hat total überreagiert. Man darf nicht vergessen: Wir haben Rohstoffpreise, die sich stimulierend auswirken. Nicht nur beim Öl. Je rohstoffintensiver ein Unternehmen ist, umso stärker profitiert es von diesen mildernden Effekten. Auch die Multis werden kaum Probleme haben. Sie können Mischrechnungen machen, Quellen umdisponieren. Aber Anbieter mit Massenproduktion und tiefer Marge können Probleme bekommen. Und natürlich auch das Gewerbe im grenznahen Raum.
Die Kleinsparer sicher nicht. Aber unsere Pensionskassen werden das zu spüren bekommen.
Ja, sicher. Denn das Niveau, das man im Dezember einführte, reichte bei Weitem nicht. Man muss auch das Unmögliche zu denken beginnen. Irgendwo wird es eine Schmerzgrenze geben, bei der sich Negativzinsen auf den Frankenkurs auswirken. Das Problem: In einer Rubelkrise ist es für Russen selbst dann noch attraktiv, in den Franken zu flüchten, wenn sie draufzahlen müssen.
Die Schweiz ist eine Insel der Glückseeligen. Und so lange die weltweiten geopolitischen Konflikte anhalten, werden Menschen im Schweizer Franken einen sicheren Hafen finden. Wir drohen ein Opfer unseres eigenen Erfolgs zu werden. Und gleichzeitig drohen wir viel zu teuer zu werden. Das ist das Gefährliche daran.
*Janwillem Acket ist Chefökonom bei der Schweizer Privatbank Julius Bär.