Littauer Kunststudentin entwirft Cocktailgläser – und macht so Geräusche sichtbar

Die Luzerner Jungdesignerin Alena Halmes hat ihren Hörsinn genutzt, um neue Formen zu finden. Ihre Bachelorarbeit «Augen zu» wurde bereits zweimal ausgezeichnet.

Natalie Ehrenzweig
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Die Bachelorarbeit «Augen zu» von Alena Halmes.

Die Bachelorarbeit «Augen zu» von Alena Halmes.

Bild: PD

Als Alena Halmes an der Kantonsschule als Schwerpunktfach Latein auswählte, wollte sie eigentlich Sprachen studieren. Doch es kam anders: «Als ich meine Maturaarbeit zum Thema Fotografie selbst erarbeitete und gestaltete, wurde mir klar, wie gern ich kreativ arbeite», erzählt die gebürtige Littauerin. Sie absolvierte daraufhin den gestalterischen Vorkurs an der Hochschule Luzern – Design & Kunst.

«Das war ein inspirierendes Jahr», schwärmt die heute 24-Jährige. «Wir erarbeiteten uns einen Einblick in die unterschiedlichsten Gestaltungstechniken». Alena Halmes möchte den Menschen beruflich Freude bereiten, die Leute zusammenbringen. Im Sommer hat sie ihre Bachelorarbeit in Industriedesign an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel abgeschlossen und damit bereits zwei Preise gewonnen.

Alena Halmes.

Alena Halmes.

Bild: PD

«Ich wusste, dass ich etwas zum Thema Sensorik machen wollte. Als ich im Blinden-Restaurant ‹Blinde Kuh› essen war, habe ich mich gefragt, wie Blinde wohl etwas als schön empfinden, wenn sie nicht sehen können», erzählt Alena Halmes. Darüber habe sie mehr wissen wollen und habe deshalb Gespräche mit blinden Menschen gesucht. Daraus sei ihre Theoriearbeit entstanden. Alena Halmes erklärt:

«Blinde nehmen verstärkt mit den Händen wahr und deshalb eher fragmentarisch».

Die Teilnehmenden hätten sich mehr Zeit als Sehende gelassen, um ein Objekt zu erfassen und hätten es dadurch genauer wahrgenommen. «Die Temperatur, die Akustik, das alles gehört auch zu einem Gegenstand oder Raum», sagt Alena Halmes.

Ein Cocktailglas aus der Bachelorarbeit von Alena Halmes.

Ein Cocktailglas aus der Bachelorarbeit von Alena Halmes.

Bild: PD

Spätestens zu diesem Zeitpunkt ihrer Bachelorarbeit hat es Alena Halmes gepackt: Sie will die Erkenntnisse der Theoriearbeit in die praktische Arbeit übertragen. Die 24-Jährige beschäftigte sich mit der Akustik der Objekte und führte eigene Klangexperimente durch, um sich zu sensibilisieren:

«Blinde klopfen zum Beispiel auf einen Gegenstand, um zu hören, was für ein Geräusch es produziert.»

Ihr Ziel war, Geräusche aus der Umwelt zu nehmen und sich dann zu überlegen, wie das Geräusch aussehen würde. So entwarf sie zum Beispiel das Geräusch der Bohrmaschine als Glas. «Daraus entwickelte sich meine Frage: Was für eine Formenwelt sitzt in den Köpfen von Menschen, die noch nie gesehen haben? Wie stellen sie sich Bewegungen vor?», erklärt Alena Halmes. Dazu hat sie Geburtsblinde befragt, wie zum Beispiel kochendes Wasser, Wasser in einem Fluss oder Wassertropfen aussehen.

Die Idee, Gläser zu gestalten, war für Alena Halmes naheliegend, da der Klang eines Glases für Sehende und Blinde gleichermassen relevant ist. Erst verformte sie selbst mit dem Bunsenbrenner Gläser, später arbeitet sie mit einem Glasbläser aus Rheinfelden zusammen. Alena Halmes:

«Die Bilder, die die Geburtsblinden beschrieben, wichen teilweise von unserer visuellen Wahrnehmung ab. Diese Formbeschreibungen sah ich als Chance, um neuartige Formen zu schaffen.»

Die gebürtige Littauerin wählte jeweils einen Satz der Beschreibung aus und entwarf daraus fünf Gläser. Sie schuf Cocktailgläser, bewusst keine Weingläser. «Wie ein Weinglas auszusehen und zu klingen hat, ist viel klarer und vorbestimmter, zum Beispiel durch die Entfaltung des Geschmacks des Weines. Cocktails sind viel verspielter und freier», betont sie.

Als Alena Halmes die fünf Gläser auf Grundlage der einzelnen Sätze entworfen hat, kam das Geräusch zurück in ihr Projekt: Bei der Benutzung der ersten Prototypen hat sie gemerkt, dass sie mit den Geräuschen beim Trinken spielen kann.

«Dies spielte mir in die Karten, denn es war mir wichtig, kein rein visuelles, sondern ein haptisches, akustisches und spielerisches Trinkerlebnis zu schaffen.»

Bei der Gestaltung denkt man von Beginn an stark an das Endprodukt, weiss Halmes. «Bei meiner Arbeit war mir der Gestaltungsprozess an sich viel wichtiger. Ich habe während meiner Arbeit eine Methode entwickelt, die eine neue Formgestaltung ermöglicht und viele spannende Gespräche über Wahrnehmung geführt», fasst sie zusammen.

Mit ihren Gläsern hat sie seit dem Sommer nicht nur den BA-Award der Swiss Design Association gewonnen, sondern auch den dritten Platz bei der Hasen-Vergabe von Hochparterre – Zeitschrift für Architektur, Planung und Design erreicht. «Das hat mich sehr gefreut», sagt Alena Halmes. Die Preise eröffnen der Jungdesignerin Netzwerke, die sie gerade jetzt brauchen kann.

Ein Cocktailglas aus der Bachelorarbeit von Alena Halmes.

Ein Cocktailglas aus der Bachelorarbeit von Alena Halmes.

Bild: PD

Nach einem Sommerjob in der Gastronomie auf dem Vierwaldstättersee und einer Japan-Reise, ist sie auf der Suche nach einem Praktikumsplatz. «Ich freue mich darauf, mehr über den Designprozess in verschiedenen Agenturen zu lernen», sagt die leidenschaftliche Schwimmerin und Lindy-Hop-Tänzerin. Mit ihrer Arbeit möchte sie für Menschen neuartige Erlebnisse schaffen – dazu bewirbt sie sich in der Schweiz, aber auch im Ausland, wie etwa in Holland. Ihre Bachelorarbeit und ihr Gläser-Projekt möchte sie aber unbedingt auch weiterziehen. Offen ist allerdings noch, in welcher Form dies geschehen soll.