Das Internet verbindet bekanntlich Menschen. Im Falle der neuen Plattform «By Maria» sind es Modedesigner, Konsumenten und kolumbianische Schuhmacher. Eine ehemalige Studentin der Hochschule Luzern, die heute als Forscherin tätig ist, sorgt dafür, dass alle profitieren.
Das Konzept ist einfach: Modedesigner stellen ihre Schuh-Kreationen online, die Kundschaft wählt ihr Lieblingsstück aus. Dieses wird anschliessend von kolumbianischen Schuhmachern in Handarbeit gefertigt. Am Ende sind alle glücklich: Die Designer können ihre Produkte verkaufen, die Kunden freuen sich über die neuen exklusiven Schuhe – und die Handwerker in Kolumbien erhalten einen fairen Lohn. www.bymaria.ch heisst die Internet-Plattform, die aus einer Masterarbeit von Catalina Jossen Cardozo an der Hochschule Luzern hervorgegangen ist. Heute ist Cardazo als wissenschaftliche Mitarbeiterin an ihrem ehemaligen Studienort tätig.
Die 35-jährige Master Design-Absolventin kam 2014 aus Kolumbien in die Schweiz. Als sie nach einem Namen für ihr Abschluss-Projekt suchte, kam ihr gleich «Maria» in den Sinn – «nicht, weil meine Familie so religiös ist, sondern weil meine beiden Grossmütter so heissen», erzählt Catalina Jossen. Mit den Grossmüttern assoziiert sie Fürsorge und Geborgenheit.
Catalina Jossen Cardozo weiss aus eigener Erfahrung, wie gnadenlos das Modebusiness sein kann. Als sie in Bogota ihr Design-Studium beendete, startete sie gleich ein eigenes Modelabel mit einem Partner. «Wir haben unglaublich viel Lehrgeld bezahlt. Während dreier Jahre hatte ich viele schlaflose Nächte. Das Führen von Menschen, der Wettbewerb, der Umgang mit Zulieferern und das alles im Umfeld einer monopolistischen Mode- und Schuhindustrie: Ohne Erfahrung war das unglaublich schwierig», erinnert sie sich. Erschwerend kam hinzu, dass die Chinesen zunehmend in den kolumbianischen Schuhmarkt drängten. In dieser Zeit wurde Catalina Jossen die Verantwortung bewusst, die sie gegenüber ihren Angestellten hat.
Um während dieser Start-up-Phase über die Runden zu kommen, arbeitete die Kolumbianerin nebenbei in der Möbelindustrie. «Ich merkte: Neben dem Design und dem Marketing fehlt etwas: Der Service, der Austausch mit den Kunden», erzählt sie. Sie möchte ein Gleichgewicht zwischen den Produzenten und den Kunden schaffen. Deshalb beschloss die junge Frau, in London Service Design zu studieren. Doch es kam anders: Sie verliebte sich in einen Schweizer, der sie mit dem Studienplatz an der Hochschule Luzern hierher lockte. «Die Ruhe, der Raum hier gab mir die Möglichkeit, zu denken, mich zu fokussieren», sagt sie. Das Resultat ist «By Maria» sowie eine eigene Stiftung. Diese stellt sicher, dass die Schuhproduzenten nicht nur einen korrekten Lohn erhalten, sondern auch Sozialleistungen und eine adäquate Ausrüstung.
Die Idee von Catalina Jossen ist so innovativ, dass sie von «Bridge» ausgewählt wurde. Das Förderprogramm des Schweizerischen Nationalfonds und Innosuisse unterstützt die Umsetzung von «By Maria» und stellt den langfristigen Fortbestand sicher.
Übrigens: Die Schuhe – alles Einzel- und Massanfertigungen – sind nicht unbedingt teurer als in herkömmlichen Schuhläden und kosten deutlich unter 200 Franken. Schliesslich braucht es für unsere Begriffe nicht viel, um den kolumbianischen Produzenten einen anständigen Lohn zu bezahlen. «Es wäre falsch, ihnen einen viel höheren Lohn zu bezahlen, als es üblich ist. So würde ich ihnen schaden», sagt Catalina Jossen dazu.
Das wichtigste sei, dass die Plattform für die Produzenten regelmässige Aufträge generiert und sie mit Werkzeugen und Weiterbildung unterstützt. «Ich möchte auch, dass die Designer die Geschichte ihrer Designs erzählen. So zeigen wir, dass hinter jedem Schuh Menschen stecken: Diejenigen, die sie entwerfen und die, die sie fertigen. So ergibt sich ein Gleichgewicht».
Letzte Woche ging «By Maria» online. Und bereits hat Catalina Jossen Investoren, die ihr Geld anbieten. Aber sie möchte sehen, wie sich ihre Idee langsam und stetig weiterentwickelt. Man könne das System auch auf andere Produkte adaptieren, zum Beispiel auf die traditionelle Schweizer Handwerksindustrie.
Eine Partnerin prüft derweil vor Ort den Einfluss, den das Projekt in Kolumbien hat. Catalina Jossen Cardozo selber hat sich mittlerweile in Neuheim niedergelassen. «Ich bin seit zwei Jahren verheiratet, wir bekommen im August unser erstes Kind», sagt sie strahlend. Die Verrücktheit und die Spontaneität Kolumbiens vermisst sie allerdings – Grund genug für jährliche Besuche.