Eigentlich waren die Naturfotografen und Tierfilmer Tony und Fabian Gnos einem Eisvogel auf der Lauer, als sie plötzlich Bekanntschaft mit einem Wiedehopf und seinen Jungvögeln machten.
Eigentlich bin ich heute mit meinem Sohn Fabian unterwegs, um den farbenprächtigen Eisvogel zu filmen und zu fotografieren. In unseren Rucksäcken haben wir ein riesiges Potenzial an Technik mitgenommen, um den Vogel gut in Szene zu setzen. Grosse Teleobjektive sollen beim Filmen und Fotografieren helfen, um den scheuen Vogel in seinem natürlichen Biotop nicht zu stören. Das Wetter ist für unsere Expedition hervorragend. Leicht bewölkt und nicht zu heiss. Am ausgesuchten Standort angekommen, legen wir uns auf die Lauer.
Am Anfang rührt sich überhaupt nichts. Doch dann plötzlich taucht der Eisvögel auf. Aus dem getarnten Versteck filmen und fotografieren wir den schönen Vogel. Nach einer französischen Sage (Vogelwarte Sempach) kam der Eisvogel zu seiner Farbenpracht, weil Noah ihn mit dem Auftrag, nach Festland Ausschau zu halten, fliegen liess. Wegen eines heftigen Sturms musste der Eisvogel so hoch fliegen, dass die Sonne unter ihm lag. Dabei nahm die Oberseite die Farbe des Himmels an, die Unterseite färbte sich durch die Glut der Sonne rot.
Während ich aus dem Versteck weitere Eisvogelaufnahmen machte, war mein Sohn Fabian unterwegs, um neue spannende Sujets zu suchen. Nach etwa einer Stunde kam er ganz aufgeregt zurück. Er habe die Bruthöhle eines Wiedehopfes gefunden, wo zwei Jungvögel gefüttert werden. Natürlich war es jetzt um mich geschehen. Ich konnte es kaum glauben. Sofort packte ich meine Kamera und Stativ ein und folgte meinem Sohn zu diesem geheimnisvollen Standort. Glücklicher Zufall, Geduld und Beharrlichkeit haben sich also ausbezahlt.
Um diesen seltenen Vogel bei der Fütterung nicht zu stören, stürzen wir uns in unsere Tarnkleider. Schliesslich wollten wir für den Wiedehopf unsichtbar bleiben. Die Kameras mit den langen Teleobjektiven deckten wir mit grünen Blättern ab. Unsere Tarnung war so gut, dass wir im Dickicht nicht mehr auszumachen waren. Wir waren ein Teil der Landschaft geworden. Gemäss der Vogelwarte Sempach gibt es in der Schweiz nur noch etwa 180 bis 260 Paare. Ursache des Rückgangs hierzulande ist die flächendeckende Ausbreitung der intensiven Landwirtschaft. Sie verändert die Gestalt des Landes und besorgt durch hohe Pestizideinträge das Verschwinden der Insekten. Und Insekten sind nun mal die Hauptnahrung des Wiedehopfes.
Während wir auf der Pirsch liegen, hören wir den typischen Wiedehopf-Gesang, «Hup-hup-hup», das sich anhört wie das seltsame Bellen eines seltsamen Hundes. Doch plötzlich sehen wir ihn auf einem Ast sitzen. Unverkennbar die auffälligen schwarz-weissen Bänder auf den Flügeln und der majestätische Kopfschmuck wie ein Indianerhäuptling. Wir stellen fest, dass die beiden Jungvögel von beiden Elternteilen gefüttert werden. Die Nahrung besteht aus grossen Insekten, Würmern, Käfern, Grillen, Hauschrecken und Spinnen.
Doch diese Art der Fütterung ist nicht immer so. In der ersten Zeit nach dem Schlüpfen der Küken ist das Männchen alleine für die Nahrung des Weibchens und der Jungen verantwortlich. Stösst dem Männchen während der Aufzucht etwas zu, ist die Brut verloren. Zum Glück für uns war das hier nicht der Fall. Während fünf Tagen konnten wir die Fütterung durch die Altvögel und die Jungen an der Bruthöhle beobachten. Als wir am sechsten Tag wieder vor Ort waren, war die Bruthöhle leer. Die beiden Jungvögel waren ausgeflogen. Sie werden jetzt noch einige Zeit von beiden Eltern mit Nahrung versorgt, bis sie sich selbstständig ernähren können. Im September/Oktober verlassen die Wiedehopfe ihr Brutgebiet und ziehen in ihr Winterquartier nach Afrika zurück.
Der Wiedehopf ist für uns ein grosser Sympathieträger und einer der schönsten Vögel. Wenn man ihn einmal gesehen hat, kennt man ihn für immer. Wir hoffen, dass die beiden ausgeflogenen Jungvögel sämtliche bevorstehenden Gefahren meistern werden. Wir jedenfalls hatten beim Beobachten, Filmen und Fotografieren dieses doch eher seltenen Vogels eine unvergessliche und spannende Zeit.
Braucht die Beobachtung eines solchen seltenen Vogels nicht sehr viel Geduld?
Doch, es braucht aber nicht nur Geduld, sondern auch Glück und Beharrlichkeit. Den Standort des Vogels werden wir für uns behalten.
Wie lange machen Sie schon dieses professionelle Hobby?
Über 20 Jahre. Und meine Erfahrung kommt mir heute immer wieder zugute.
Ist es nicht toll, wenn auch der Sohn Fabian dabei ist?
Ich freue mich, dass auch mein Sohn Fabian sich der Tier- und Naturfotografie widmet. So können neue jugendliche Ideen in unsere Filmprojekte einfliessen. Er ist ein sehr geduldiger und guter Fotograf.
Ihre Hauptaufgabe ist das Filmen. Wie viele Dokumentarfilme haben Sie schon gedreht?
Mit dem Naturfilmteam Uri haben wir den 15. Dokumentarfilm gedreht. Der letzte Dok-Film mit dem Titel «Im Tal der Rothirsche» ist in diesem Jahr auf den Markt gekommen.
Was bringt Ihnen die Natur?
In der wilden Natur fühle ich mich wohl. Es ist für mich ein persönlicher Ausgleich zum Alltagsleben.
Sind die technischen Hilfsmittel nicht sehr kostspielig?
Die heutige Technik ist sehr schnelllebig und teuer. Nichtsdestotrotz macht immer noch der Mensch hinter der Kamera das Bild und den Film. Und auf den kommt es an.
Welchen Dok-Film drehen Sie im Moment?
Wir drehen den Dok-Film «Natur exclusiv Staunen – Erkennen – Erleben». Auch der Wiedehopf sowie der farbenprächtige Eisvogel werden in diesem Film vorkommen. Fertigstellung ist im Jahr 2022.
Wie lange brauchen Sie für einen Dok-Film?
Wir brauchen etwa 200 Arbeitstage zu acht Stunden. Wobei 60 Prozent das Filmen in der freien Natur ist und 40 Prozent das Arbeiten zu Hause.
Ist der Wiedehopf Ihr Lieblingsvogel?
Es gibt in der Schweiz sehr viele schöne Vögel. Doch meine «Big-Five» sind der Eisvogel, der Bienenfresser, der Pirol, der Wiedehopf und der Mauerläufer.
Was halten Sie vom Klimawandel?
Als Tier- und Naturfilmer macht man sich schon sorgen über den Klimawandel. Und er ist auch beim Filmen überall spürbar. Wir müssen einfach schauen, dass die jungen Leute von Morgen eine intakte Welt bekommen.
Möchten Sie zum Schluss noch etwas sagen?
Ja, ich wünsche allen Naturfreunden eine spannende, glückliche und erholsame Zeit in der freien Natur. Und Menschen, die krank sind, wünsche ich eine baldige Genesung.